Im Schatten des Teebaums - Roman
Ich denke, er ist nur schlimm verstaucht.«
Nachdem Noah Brodie zur Außentoilette geführt und ihn sicher wieder zu Bett gebracht hatte, machte er sich daran, aus den Blättern, die er in kochendem Wasser blanchiert hatte, eine Paste zu bereiten. Während er damit beschäftigt war, setzte Eliza sich zu Brodie.
»Ich hoffe, Noahs Aborigine-Heilmittel wird Ihnen helfen«, sagte sie.
»Das hoffe ich auch«, erwiderte Brodie matt. Tilly hatte ihm Tee und Toast dagelassen, aber er hatte nichts davon angerührt. »Eliza, ich habe mich getäuscht, als ich gestern sagte, Sie würden mir bei Mallory nichts nützen können. Ich weiß nicht, was ich ohne Sie getan hätte.«
Eliza war gerührt, aber sie wollte auch aufrichtig sein und entgegnete: »V ermutlich wären Sie gar nicht erst in diese Falle getreten, wenn ich Sie durch meine Anwesenheit nicht abgelenkt hätte.«
»V ielleicht doch, und dann wäre ich Mallory auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen. Wenn Sie nicht so viel über den amerikanischen Bürgerkrieg gewusst hätten …« Er blickte sie an. »Und Sie waren sehr tapfer für eine … eine …« Er brach mitten im Satz ab.
»Frau!«, führte Eliza den Satz zu Ende und zog eine Augenbraue hoch.
»V iele Männer hätten es in dieser Situation mit der Angst bekommen. Mir selbst ist es nicht anders ergangen. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so unberechenbar ist wie Mallory McDermott. Da hätte ich es lieber mit einem Tiger zu tun.«
Eliza lächelte. »Manchmal wird Tollkühnheit mit Tapferkeit verwechselt«, sagte sie. »Jemand, der namentlich nicht genannt werden wollte, hat das mal zu mir gesagt.«
Brodie blickte beschämt. »Natürlich wusste dieser Jemand nicht, wovon er spricht«, sagte er und nahm ihre Hand. »Ich habe Ihnen vermutlich mein Leben zu verdanken«, sagte er ernst. Er wollte so viel mehr sagen.
Mit einem Mal war Eliza verlegen. »Sie können mir danken, indem Sie den Wolf nicht erschießen«, sagte sie, bemüht, die Spannung zwischen ihnen zu lösen. Brodie war ihr gegenüber so abweisend gewesen, dass sie jetzt nicht wusste, wie sie mit seiner zärtlichen Seite umgehen sollte.
»Abgemacht«, sagte Brodie. Er überlegte, ob er sie an sich ziehen sollte, um sie zu küssen – was er schon seit einer ganzen Weile tun wollte –, als Noah mit einem Teller voller grünem Brei ins Zimmer kam, gefolgt von Tilly mit ein paar Verbänden. Noah hatte vor, Brodies Knöchel mit der Pflanzenmasse einzureiben und zu verbinden. Er sagte Brodie, es würde den Schmerz und die Schwellung rasch lindern.
Als Eliza das Zimmer verließ, konnte sie Brodies Blicke spüren. Sie wusste nicht genau, was zwischen ihnen war, aber sie war sich sicher, dass er nicht nur Dankbarkeit für sie empfand.
Eine Sekunde lang hatte sie gedacht, er würde sie küssen, doch dann waren Noah und ihre Tante ins Zimmer gekommen. Hatte sie sich getäuscht?
Katie nahm an diesem Morgen den ersten Zug nach Mount Gambier. Sie lieh sich bei den Mietställen in der Stadt ein Pferd und einen Buggy und schaute bei Miss Beatrice vorbei. Im Laufe des Vormittags traf sie auf der Sunningdale-Farm ein. Das Haus erschien ihr entsetzlich still, als sie es betrat. Sie ging durch den Flur in die Küche, wo sie ihre Mutter am Tisch sitzen sah, ins Leere starrend. Henrietta so still sitzen zu sehen, mit reglosen Händen, machte Katie Angst. Wenn sie nicht Eingemachtes in Gläser füllte oder der einen oder anderen Hausarbeit nachging, hatte sie immer eine Stickarbeit im Schoß oder Stricknadeln in den Händen.
»Hallo, Mom«, sagte Katie, sodass Henrietta aus ihrer Tagträumerei hochschreckte.
»Katie! Du bist zurück!« Henrietta suchte in den Zügen ihrer Tochter nach irgendetwas, was ihr verraten würde, dass sie Matilda begegnet war. Aber das schien nicht der Fall gewesen zu sein.
»Ist alles in Ordnung, Mom?«, fragte Katie.
»Aber sicher. Was tust du denn hier?«
»W as meinst du damit?«
»Müsstest du nicht im Geschäft sein?«, fragte Henrietta. »Du solltest doch schon am Montagmorgen wieder mit der Arbeit anfangen.«
»Ich habe auf dem Heimweg bei Miss Beatrice vorbeigeschaut. Mir steht noch Urlaub zu, und sie hat mir erlaubt, ihn jetzt zu nehmen.«
»V erstehe«, sagte Henrietta gedankenverloren. »Du hättest nicht einfach so weggehen sollen, Katie. Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht.«
»Dazu besteht kein Grund. Tantanoola ist doch nicht weit von hier, nur eine halbe Stunde mit dem Zug. Es tut mir leid,
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