Im Schatten des Teebaums - Roman
nachdem er die Ställe ausgemistet hatte. Er konnte Matilda weder im Haus noch im Garten sehen und war besorgt, sie mit seinen Enthüllungen über ihre Beziehung zu Richard aus der Fassung gebracht zu haben.
»T illy ist zur Nachbarsfarm gegangen, um zu sehen, ob Barney Hilfe braucht«, sagte Eliza.
»W ar alles in Ordnung mit ihr?«
»Ja, Mr. Kennedy. Warum fragen Sie?«
»W ir hatten ein Gespräch über … nun ja, eine persönliche Angelegenheit. Ich hoffe, das hat sie nicht aus der Fassung gebracht.«
Eliza fragte sich, ob es in diesem Gespräch um die Liebe gegangen war, die ihre Tante und ihren Vater einst verbunden hatte. »Nein, es schien alles in Ordnung zu sein. Aber ich glaube, dass meine Tante es inzwischen versteht, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.« Jedes Mal, wenn sie darüber nachdachte, was ihr Vater Tilly angetan hatte, stieg Zorn in ihr auf.
George dachte ebenfalls über Richard nach. In all den Jahren, die er mit Henrietta zusammen gewesen war, hatte er offensichtlich gelernt, seine wahren Gefühle zu verbergen. »Auf dem Weg in die Stadt würde ich gern einen kleinen Umweg machen, um diesen Pferch zu fotografieren, in dem die Schafe geschlachtet worden sind. Falls es uns gelingt, den wahren Schafdieb zu entlarven und ein Foto von ihm zu schießen, das wir in einem Artikel bringen könnten, bekämen wir eine sagenhafte Auflage.«
»Aber Brodie ist noch nicht mit dem Wagen zurück«, sagte Eliza. Sie hatten vorgehabt, mit dem Wagen in die Stadt zu fahren und Tilly und Noah beim Hanging Rocks Inn zurückzulassen. Sie wollten nicht, dass Noah gesehen wurde, bis sein Name reingewaschen war.
»W ir können Brodies Pferd nehmen, oder?«, sagte George.
»Ich glaub schon. Aber ich hoffe trotzdem, dass Brodie zurück ist, bevor wir aufbrechen müssen.«
Noah war an diesem Morgen sehr still gewesen, wie Eliza auffiel. Er hatte sein Frühstück kaum angerührt und nur aus dem Fenster gestarrt. Sie konnte sehen, dass er in Gedanken weit weg war; vermutlich machte er sich Sorgen, was der Tag bringen würde.
»Es wird schon alles gut gehen heute, Noah«, sagte Eliza, um ihn zu beruhigen. »Ich weiß es.«
Noah wandte sich zu ihr um. In seinen braunen Augen lag ein Ausdruck tiefer Trauer. »Ich kann Ihnen nicht sagen, was es mir bedeutet, dass Sie so viel Mühe auf sich nehmen, um mir zu helfen. Abgesehen von Miss Sheehan und den Corcorans würden die meisten Leute in dieser Gegend mir nicht einmal guten Tag sagen. Wenn es heute nicht klappt und Sie nicht herausfinden können, wer die Schafe stiehlt, dann soll es so sein. Sie haben Ihr Bestes getan.«
»Keine Sorge, Noah, es wird klappen«, versuchte Eliza ihn mit aller Überzeugung, die sie aufbringen konnte, zu beruhigen. Es war unvorstellbar, dass Noah für eine Tat bestraft wurde, die er gar nicht begangen hatte.
Noah nickte, sah aber noch immer traurig aus. Eliza hatte den Verdacht, dass er sehr genau wusste, dass ihre Zuversicht nur gespielt war.
Als Tilly wiederkam, berichtet sie, Barney habe ihr erzählt, in seinem Hühnergehege sei in der Nacht etwas Seltsames vorgefallen.
»W as meinst du mit seltsam, Tante?«, fragte Eliza.
»Barney sagt, er habe Hinweise dafür entdeckt, dass ein Tier versucht hat, in das Gehege einzudringen und sich wieder zu befreien. Er weiß nicht, was er davon halten soll, und ich weiß es offen gestanden auch nicht.«
»Sind Hennen getötet worden?«
»Nein, das ist ja das Seltsame. Die Hennen waren im Hühnerhaus eingesperrt. Aber es sieht so aus, als hätte ein Tier sich im Gehege verfangen. Barney hat ein Stück Fell gefunden.«
Eliza war beunruhigt. »Hat er dir das Fell gezeigt?«
Tilly nickte.
»W elche Farbe hatte es?« Eliza fürchtete sich vor der Antwort.
»Es war hell«, sagte Tilly, die genau wusste, dass das Fell von dem Wolf stammen konnte.
»Meinst du, das Fell war vom Tiger?«, fragte George aufgeregt. »V ielleicht sollte ich es fotografieren. Ebenso den Schaden am Hühnergehege.«
»Nein«, sagte Tilly rasch. »Ich glaube, das Fell stammt von … von einem streunenden Hund, der seit einer Weile die Gegend hier unsicher macht.« Sie warf einen Blick auf Eliza, damit sie es bestätigte.
»Das stimmt«, sagte diese, denn sie wollte nicht, dass ihr Chef misstrauisch wurde. »Es gab in letzter Zeit einen streunenden Hund in der Gegend, er hat helles Fell, stimmt ’ s, Tante?«
»Genauso ist es, George. Der Hund ist hinter Sheba her, weil sie läufig wird. Deshalb behalte ich
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