Im Schatten des Teebaums - Roman
deutlich genug, dass ich einen Gipsabdruck davon anfertigen könnte. Ich sage das nur, um Sie zu warnen. Nehmen Sie sich in Acht, und unterschätzen Sie die Gefahr nicht.«
Eliza schwieg.
»Ein Artikel von Alistair McBride wurde bereits in der South Eastern Times abgedruckt«, fuhr Brodie fort. »Darin schreibt er, der Tiger verbreite Angst und Schrecken in Tantanoola und der Ort gleiche einer Stadt im Belagerungszustand. Die Einwohner hätten sich in ihren Häusern verbarrikadiert und würden ihre Kinder bewaffnet zur Schule eskortieren. Solche Kommentare sind alles andere als hilfreich.«
»Ganz meine Meinung«, pflichtete Tilly ihm bei.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Angelegenheit aus der Welt zu schaffen«, fügte Brodie hinzu, wobei er Eliza eindringlich ansah.
Tilly und Eliza wussten genau, wovon er sprach. Und beide gelangten mehr denn je zu der Überzeugung, dass Brodie auf keinen Fall von Jock Milligans Tigergrube erfahren durfte.
»W ie sind Sie eigentlich Berufsjäger geworden?«, fragte Tilly, um ihn abzulenken.
»Mehr oder weniger durch Zufall. Ich war Soldat und bin deshalb ein guter Schütze. Als ich aus der Armee entlassen wurde, habe ich ein paar Jahre als Landvermesser im Busch gearbeitet. In meiner Freizeit jagte ich Wildschweine und Kängurus. Dann ging ich nach Norden, ans Kap, wo ich ebenfalls als Landvermesser tätig war. Bald sprach es sich herum, dass ich gut mit dem Gewehr umgehen konnte, und die Leute kamen zu mir und baten mich, die Krokodile zu erlegen, die sich bis in die Siedlungen wagten und die Menschen angriffen. Ich fand bald heraus, dass mit der Jagd mehr Geld zu verdienen ist als mit der Landvermessung.«
»V ielleicht sollten die Leute ihre Häuser oder Siedlungen nicht dort bauen, wo die Krokodile leben, dann hätten sie auch keine Schwierigkeiten mit ihnen«, sagte Eliza frostig.
Brodie warf ihr einen finsteren Blick zu, der Tilly nervös machte.
»Bitte seien Sie vorsichtig, wenn Sie heute Nacht auf die Pirsch gehen«, sagte sie. »Ich möchte nicht, dass Sie meine Hündin Sheba erschießen. Sie kann kaum noch raus, seit Barney Blackwell, mein Nachbar, versehentlich auf sie geschossen hat; ich behalte sie die meiste Zeit im Haus, aber ich kann sie nicht ständig einsperren.«
»Ich kann Ihnen nur raten, sich in Acht zu nehmen, Matilda. Und Ihrem Nachbarn werde ich sagen, dass ich nachts durch die Gegend streife, damit er mich nicht abknallt.«
»Gute Idee.« Tilly nickte. »Er hört und sieht nämlich nicht mehr besonders gut.«
»Das klingt, als wäre die Katastrophe unvermeidlich.« Brodie stand unvermittelt auf. »Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich muss ein bisschen ausruhen, ich bin völlig erledigt. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer.«
»Natürlich, gehen Sie nur. Den Flur entlang, die zweite Tür links. Rufen Sie, wenn Sie etwas brauchen«, sagte Tilly.
»V ielen Dank.« Brodie nickte Eliza kurz zu, griff nach seinem Gewehr und verließ die Küche.
Tilly wartete einen Augenblick; dann flüsterte sie: »Ich dachte schon, du würdest ihm von Jocks Falle erzählen!«
»Und ich dachte, du würdest etwas sagen«, flüsterte Eliza zurück.
»V on mir wird er bestimmt nichts erfahren«, raunte Tilly.
»Ich mache mir ernsthaft Sorgen, Tante. Wenn es stimmt, was Mr. Chandler gesagt hat, könnte Jock in großer Gefahr sein.«
»Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll, Eliza.« Tilly runzelte die Stirn. »W as mache ich denn jetzt mit meinen Ziegen?«
»Sperr sie sicherheitshalber über Nacht im Stall ein«, riet Eliza.
»Ich habe doch nur den einen Stall mit den zwei Boxen, und da stehen die Pferde drin. Das bedeutet, ich muss die Ziegen draußen in die Waschküche sperren. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Nach einer nachdenklichen Pause sagte Eliza: »W ie wär ’ s, wenn wir einen Spaziergang machen, und du zeigst mir die Felshöhlen? Dann kämen wir auf andere Gedanken.«
»Einverstanden. Aber erst gehen wir zu Barney, damit er wegen Brodie Bescheid weiß. Ich will nicht, dass er gleich in der ersten Nacht, die er hier verbringt, erschossen wird«, fügte Tilly trocken hinzu.
»Dein Nachbar würde ihn wahrscheinlich gar nicht sehen, wenn er wirklich so schlechte Augen hat.«
»Das ist ja das Problem. Barney ballert einfach drauflos. Er könnte Brodie rein zufällig über den Haufen schießen und wüsste es nicht mal!«
Sheba trottete hinter Tilly und Eliza her, als sie sich auf den Weg zu Barneys Haus machten, das
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