Im Schatten des Teebaums - Roman
»Ich habe nichts dagegen. Meine Mutter hat immer auf Matilda bestanden. Ich habe erst Tilly daraus gemacht, als ich nach Tantanoola gezogen bin.«
Brodie sah sich um. Sein Blick blieb an Eliza haften, die am Küchentisch saß. Sie tat so, als wäre sie in ihre Aufzeichnungen vertieft.
»Eliza kennen Sie ja bereits«, sagte Tilly.
»Ja, wir hatten schon das Vergnügen. Guten Tag, Miss Dickens«, grüßte er ein wenig frostig.
Eliza blickte flüchtig auf. »Guten Tag, Mr. Chandler.«
Brodie wandte sich Tilly zu. »Darf ich mein Pferd zu Ihrer Stute stellen, Matilda? Oder soll ich es lieber auf eine andere Koppel bringen? Ich muss Sie warnen: Angus kann ganz schön temperamentvoll sein.«
»Machen Sie sich wegen Nell keine Sorgen«, meinte Tilly. Sie sah durchs Fenster, wie die beiden Pferde sich über den Zaun hinweg beschnupperten. »Stellen Sie Ihren Hengst ruhig zu ihr. Sie ist groß genug, um auf sich selbst aufpassen zu können, und ich könnte mir denken, dass sie sich über die Gesellschaft freut. Ihren Sattel können Sie in den Sattelraum neben dem Stall bringen. Lassen Sie Ihren Koffer ruhig schon da, ich bringe ihn auf Ihr Zimmer.« Tilly fiel jetzt erst auf, wie müde der Jäger aussah. Wahrscheinlich war er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen.
Als Brodie hinausging, um sein Pferd zu versorgen, stand Eliza auf und nahm ihrer Tante den Koffer ab. »Lass nur, ich mach das schon. Kümmere du dich um das Essen.«
»Danke, Eliza. Bring den Koffer bitte in das Zimmer gegenüber deinem.«
Eliza zögerte kurz. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn Brodie das Zimmer bekommen hätte, das am weitesten von ihrem entfernt war, doch sie sagte nichts. Sie nahm den Koffer und trug ihn hinaus.
Als Brodie zurückkam, hielt er sein Gewehr in der Hand. Er stellte es in eine Ecke, als Tilly ihn aufforderte, sich zu setzen und etwas zu essen. »Sie sind bestimmt müde«, sagte sie mit einem kritischen Seitenblick auf die Flinte. Sie hatte noch nie viel von Waffen gehalten. »Mary sagt, Sie sind fast jede Nacht unterwegs, deshalb werden Sie sich nach dem Essen sicher ein wenig ausruhen wollen, nicht wahr?«
»Ja, ich sehne mich nach einem Bett und ein paar Stunden Schlaf. Was riecht denn hier so gut?«
Eliza kam in die Küche zurück und sah, wie Tilly aufs Neue errötete. Eliza fiel auch auf, dass Brodie sich ihrer Tante gegenüber völlig anders benahm, als er sich bei ihr verhielt.
»Das ist nur ein aufgewärmter Gemüseeintopf«, sagte Tilly. »Aber ich habe auch noch Rhabarberkuchen, wenn Sie mögen.«
»O ja, und wie! Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass ich bei Ihnen wohnen darf.« Brodie setzte sich Eliza gegenüber an den Tisch. Sie beugte sich über ihre Notizen und tat wieder so, als wäre sie darin vertieft. Dennoch bemerkte sie den abschätzigen Blick, mit dem Brodie ihr Notizbuch streifte, und die Härte, die sich auf seine Züge legte. Sie hatte das Gefühl, dass es ihm lieber wäre, sie wäre nicht da.
»Ich habe ja genug Platz«, erwiderte Tilly. »Das Haus hier hat sogar mehr Zimmer als das Hotel. Bier habe ich allerdings keines da. Dafür ist es herrlich ruhig und friedlich hier, und das schätze ich sehr.« Sie hatte die Stille und die Einsamkeit immer genossen, doch damit würde es, zumindest für die nächsten Tage, vorbei sein.
Brodie nickte. »Auf das Bier kann ich verzichten, ich trinke nur selten Alkohol. Und ich liebe die Ruhe genauso wie Sie.« Tilly hatte ihm einen Teller Eintopf hingestellt, und er begann zu essen. Eliza war auffällig still, und Brodie wusste nicht recht, was er davon halten sollte.
»Sie sind bestimmt froh, dass Sie diesen Alistair McBride nicht mehr jeden Tag sehen müssen«, sagte Tilly. Sie stellte Eliza ebenfalls einen vollen Teller hin. »Der Bursche scheint mir ganz schön aufdringlich zu sein. Seine Fragerei kann einem wirklich auf die Nerven gehen.«
»Da haben Sie recht«, pflichtete Brodie ihr bei. »Aufdringlich ist er. Muss an seinem Beruf liegen.« Er sah Eliza viel sagend an.
»Ja, wahrscheinlich«, murmelte Tilly, der gar nicht aufgefallen war, dass diese Spitze ihrer Nichte gegolten hatte.
»Lieber aufdringlich als verroht«, brauste Eliza auf. Sie wurde rot, als sie Tillys entsetzten Blick auffing.
»Sich seinen Lebensunterhalt mit dem Erlegen von Tieren zu verdienen, mag Ihnen verroht vorkommen, Miss Dickens«, sagte Brodie ruhig, »aber möglicherweise rette ich Menschenleben, wenn ich den Tiger erlege. Vielleicht sogar Ihres und das von
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