Im Schatten des Teebaums - Roman
Tantanoola«, sagte Richard bedrückt. »Eliza wäre gekränkt, weil sie das Gefühl hätte, ich würde sie kontrollieren. Aber falls du hinfährst, bestell ihr bitte liebe Grüße von mir. Und natürlich auch von ihrer Mutter.«
George nickte. »Das werde ich.«
Jetzt, wo er wusste, dass Matilda in Tantanoola lebte, würde er es sich nicht nehmen lassen, dorthin zu fahren.
»W as hast du denn, Katie?«, fragte Thomas Clarke. »Du bist so still. Was sagst du zu unseren Familienerbstücken?« Nach dem Nachmittagstee bei den Clarkes in deren Haus in der High Street in Mount Gambier brachte Thomas Katie in einem kleinen Buggy nach Hause zurück. Bluebell Clarke, Thomas ’ Mutter, hatte Katie drei Stunden lang voller Stolz jedes einzelne Stück in ihren Schränken vorgeführt – Teller, Gläser, Vasen, Porzellanfiguren – und ihr die mit jedem Stück verbundene Geschichte erzählt. Katie hatte sich zu Tode gelangweilt, aber Thomas war unüberhörbar stolz auf den Besitz, den er eines Tages als einziger Sohn der Clarkes erben würde.
Katie zögerte. »Ich … ich weiß nicht, ob es mir gefällt, mit welcher Selbstverständlichkeit deine Mutter davon ausgeht, dass ich eines Tages offiziell zur Familie gehöre, Thomas.«
»Nun, so wird es doch kommen«, erwiderte Thomas lächelnd. »Mutter sieht in dir bereits ihre künftige Schwiegertochter.«
»Genau das meine ich ja. Andere planen mein Leben für mich, und davon bin ich wenig begeistert. Alle denken, sie wüssten genau, woran sie mit mir sind. Ich mag es nicht, dass alle mich für so … angepasst halten.«
»Angepasst zu sein ist doch nichts Schlimmes«, sagte Thomas unbekümmert, und Katie funkelte ihn böse an. Sie hatte hellere Haare als ihre Schwester Eliza und war größer und kräftiger. Ihre grünen Augen konnten kalt blicken, wenn ihr etwas nicht passte. »Nicht, dass du angepasst wärest «, fügte Thomas rasch hinzu.
Aber du bist es, dachte Katie. Auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, ob dieser Charakterzug so wünschenswert war.
»Mich halten die Leute vor allem für zuverlässig, und das bin ich auch«, sagte Thomas, der nichts von Katies Gedankengängen ahnte. »Zuverlässigkeit ist eine bewundernswerte Eigenschaft, findest du nicht?«
Katie warf ihm einen schrägen Blick zu. »W enn du meinst«, erwiderte sie mürrisch. »Deine Mutter hat ja nicht nur beschlossen, dass wir heiraten, sie hat sogar schon festgelegt, wie viele Kinder wir haben werden. Würde mich nicht wundern, wenn sie sich bereits Namen für sie ausgesucht hätte.«
»Jetzt übertreibst du aber, Katie. Übrigens habe ich mir längst vorgenommen, um deine Hand anzuhalten. Aber ich will es richtig machen, weißt du. Ich will, dass es ein romantischer Antrag wird.«
Katie verdrehte die Augen. »W enn du es mir ankündigst , ist es nicht mehr romantisch, Thomas. Ein Mädchen will mit einer spontanen Liebeserklärung überrascht werden und nicht bis ins kleinste Detail wissen, was es erwartet und welches Porzellan eines Tages auf dem Tisch stehen wird.«
Thomas sah sie verdutzt an. »W as hast du denn auf einmal, Katie? Manchmal weiß ich wirklich nicht, was ich noch tun soll, um dich glücklich zu machen.«
»Das solltest du aber wissen«, versetzte sie trotzig.
»W as hat das jetzt wieder zu bedeuten?«, fragte Thomas, dessen Verwirrung wuchs.
»W enn du dein Leben mit mir verbringen willst, solltest du wissen, was mich glücklich macht, oder nicht?«
»Ich dachte, das wüsste ich«, erwiderte Thomas beleidigt. »Aber ich kann dir anscheinend gar nichts mehr recht machen.«
Katie warf ihm einen entnervten Blick zu und verschränkte die Arme über der Brust. Keiner sprach mehr ein Wort.
Als Katie zwei Tage zuvor von der Arbeit nach Hause gekommen war und erfahren hatte, dass Eliza beruflich für ein paar Tage verreist war, hatte sie sich zunächst nichts dabei gedacht. Dann aber war sie ins Grübeln gekommen. Inzwischen beneidete sie ihre Schwester um ihre Freiheit. Sie, Katie, hatte sich immer etwas darauf eingebildet, dass sie einen festen Freund hatte, der in der Stadt als gute Partie galt, während Eliza keinen Verehrer vorweisen konnte. Doch je länger Katie jetzt über ihr Leben nachdachte, desto fader und eintöniger erschien es ihr, und sie beneidete Eliza um ihre Freiheit.
Der Buggy hielt vor dem Haus der Dickens. Katie und Thomas hatten auf dem letzten Teil der Fahrt kein Wort mehr miteinander gewechselt. Nun stieg Katie grußlos aus und rauschte ins
Weitere Kostenlose Bücher