Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
heißen: Sie wissen es nicht?", fuhr Hazel ihn an.
"Ich habe sie ordnungsgemäß aus diesem Gefängnis entlassen", erklärte der Wärter nüchtern, "mehr gehört nicht zu meinen Aufgaben."
"Oh, nein, selbstverständlich nicht!", zischte Hazel ihn zornig an. "Was sind Sie für ein Mensch! Hauptsache, dass Sie die Gefangenen gut verschließen. Und wenn einer entlassen wird, sind Sie aus der Pflicht; ob es zum Schafott oder zum Galgen geht, das ist Ihnen einerlei!"
"Miss Graham, bitte!", mahnte Lord Drolingcourt. "Hier scheint mir ein Missverständnis vorzuliegen. Ihre Mutter steht nicht länger unter Arrest und ist daher in die Freiheit entlassen worden."
Hazel starrte ihn ungläubig an.
"Also kann auch ich jetzt gehen?", erkundigte sie sich ebenso erstaunt wie erleichtert.
"Ja, natürlich. Nehmen Sie diese Tür hier links, die Stufen hinauf und Sie sind draußen. Ich habe Ihnen bereits eine Droschke bestellt, sie wird in wenigen Minuten eintreffen. Ich wollte Ihnen noch knapp etwas über die Hintergründe der Intrige sagen, die man jetzt erst vollständig aufdecken konnte – aber Sie scheinen dafür im Moment ja kein Interesse aufzubringen."
Hazel war noch zu verwirrt, um zu widersprechen. "Ja, die Hintergründe ...", stieß sie hervor.
"Eine üble Sache – äußerst übel. So wie es aussieht", bemerkte Lord Drolingcourt, "ist Ihr Vater das Opfer einer Intrige geworden, die nicht einmal ihm selbst galt, sondern Lord Everett, was seinen Tod im Nachhinein so sinnlos macht. Sie haben mein herzlichstes Beileid, Miss Graham. Ihr Vater wird selbstverständlich in allem rehabilitiert werden, wenn das für ihn selbst auch zu spät ist, so wird es Ihnen, seiner Familie, doch zu Gute kommen. Das enteignete Landgut ist bereits wieder auf seinen Namen überschrieben. Ihr Bruder Jeremy trägt jetzt den Titel."
Hazel konnte noch nicht fassen, dass das alles wahr sein sollte.
"Wir haben hier ein Testament eines Mannes", fuhr Lord Drolingcourt fort, "der im Angesicht des Todes in Reue fiel und seine Beteiligung an dieser Kabale gestanden hat: Leutnant Shandelton. Er war, wie Sie vermutlich gehört haben, derjenige, der die belastenden Papiere vorgelegt hatte. Er war dazu angestiftet worden und hatte sich darauf eingelassen, weil man ihm seine hohen Schulden bezahlen wollte. Aber als er davon erfuhr, Lord Everett solle hingerichtet werden und er von einer Pistolenkugel tödlich verletzt worden war, da schlug ihm sein Gewissen und er gestand in seinem Testament, dass die Papiere gefälscht waren. Wir wissen nicht, wieso es so lange gedauert hat, bis uns dieses Testament vorgelegt wurde, der Mann ist ja schon vor etlichen Tagen verstorben. Es scheint, als ob das Papier einige Zeit versteckt gehalten worden ist."
"Wer hat es gefunden?", fragte Hazel.
"Mr. Haggerty, der Anwalt, in seiner Kanzlei."
Also war alles doch nur ein Irrtum gewesen?
"Darf ich es sehen?", bat Hazel.
Er reichte Hazel ein aufgefaltetes Papier, das sie rasch überflog. Obschon der ganze Plan im Detail aufgeführt war, war nirgendwo der Name des Marquis of Wainwright erwähnt. Allerdings klagte Lt. Shandelton Woodworth der Mittäterschaft an und beschuldigte ihn auch, im Streit mit der Pistole auf ihn, Shandelton, geschossen und ihm die tödliche Verletzung zugefügt zu haben.
Als Hazel das Papier in Gedanken versunken an den Knickstellen zusammenfaltete und es eben zurückreichen wollte, fiel ihr auf, dass die nun oben liegende Seite dunkle Schmierflecken trug. Sie stutzte und hielt den Brief näher ins Licht. Die Flecken waren von rotbrauner Farbe, kein Zweifel, eingetrocknetes Blut, ziemlich verwischt, aber dennoch deutlich.
Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass ihr die Formen und Umrisse dieses Abdrucks ziemlich bekannt vorkamen ... dieser gefaltete Brief ... diese verwischten Blutspuren hatte sie schon einmal gesehen ... kein Zweifel, das war Haywards Blut ...
Und es gab nur eine Erklärung, wie es auf dieses Papier kam ...
Hazels Herz begann wild zu klopfen.
In diesem Augenblick ging die Tür auf der anderen Seite des Raumes auf und hinter den eintretenden Wächtern kam der Marquis von Wainwright herein. Er trug keine Fesseln und war bereits in Besitz seines Hutes - den er allerdings noch unter dem Arm geklemmt hielt - was aber in Hazel trotzdem keine gute Vorahnung weckte.
Als Kirby Hazel gewahr wurde, zog er seine Augenbraue hoch und begegnete ihrem Blick mit einem dermaßen süffisanten Ausdruck und einem triumphierenden Lächeln,
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