Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Landarzt war Dr. Snowdon allerdings der Auffassung, dass Jeremy in London unter der Obhut einer ausgesuchten Pflegerin deutlich größere Überlebenschancen hätte. Der Bischof hatte seinen gut gefederten Landauer mitgeschickt, der ja auch Hayward sicher nach Hause gebracht hatte, so dass Hazel, auf die Aussage des Arztes vertrauend, das Wagnis einging, Jeremy nach London zu bringen.
Der arme Junge bekam von der Fahrt zum Glück kaum etwas mit, er lag die ganze Zeit über reglos, so dass Hazel mehrfach beunruhigt nach seinem Puls fühlte, jedes Mal in der Angst, Jeremy sei bereits tot, aber jedes Mal verriet ein schwaches Klopfen, dass noch Leben in ihm war.
Am selben Morgen hatte Ihre Gnaden, die Herzogin, von James alarmiert, bereits ihren Jüngsten aufgesucht.
Hayward musste seine Mutter notgedrungen im Bett empfangen, was nicht unwesentlich dazu beitrug, Lady Constance in einige Aufregung zu versetzen. Zudem geriet Hayward in einige Erklärungsnöte, als seine Mutter - auf die ihr eigene rigorose Art - völlige Enthüllung darüber verlangte, wie es zu seiner Verwundung gekommen war.
Er gab ihr einen eher wirr anmutenden Bericht, der die Episode im Wald ganz ausließ und die übrigen Geschehnisse um etliche Grade verharmloste, um dem Marquis von Wainwright endgültig die Rolle des Bösewichts zuzuschreiben, und endete schließlich mit der Feststellung:
"Matthew Hawthorne hat mir das Leben gerettet. Du wirst nicht umhin kommen, ihn wieder gnädig in unserem Haus zu empfangen."
Damit war für die Herzogin, die ja bereits durch die Sorge um ihren Sohn aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen war, die Grenze des Erträglichen erreicht.
"Niemals!", weigerte sich Lady Constance. "Er war unverschämt! Schlichtweg unverschämt!"
"Was hat er denn nun eigentlich gesagt?", erkundigte sich Hayward, der – wie der übrige Teil seiner Familie – nie die volle Wahrheit erfahren hatte.
Lady Constance errötete. "Das kann ich dir unmöglich wiederholen! Er war unglaublich dreist, er ..."
"Aber erst, nachdem du ihm gedroht hast für den Fall, dass er meine Hochzeit platzen lässt."
"Hm – ja", gab sie zu.
"Hat er dir nicht gesagt, dass du dich nicht zu beunruhigen brauchst, weil an der ganzen Sache überhaupt nichts dran ist?"
"Nein! Eben nicht! Er hat die Frechheit besessen, sich anzubieten, mir in diesem Fall behilflich zu sein, die 400 Absagen zu schreiben. Die Kuverts könne man ja trotzdem benutzen."
Hayward starrte seine Mutter an. " Das hat er gesagt?", fragte er entgeistert.
"Ich sage es dir doch", ereiferte die Herzogin sich, "er war einfach nur frech!"
Auf Haywards Gesicht erschien ein glückseliges Lächeln. "Herr im Himmel!", meinte er, "und ich dachte wahrhaftig die ganze Zeit über, ich hätte überhaupt keine Chancen."
"Ich weiß nicht, was es da zu grinsen gibt!", bemerkte Ihre Gnaden kühl.
"Mama", sagte Hayward, "ich muss dir ein Geständnis machen. Mit Matthew gebe ich mich nur notgedrungen ab. Ich bin vielmehr an seiner Schwester interessiert."
"An Cecily?", fragte die Herzogin schockiert.
"Aber Mama", tadelte Hayward, "es dürfte dir doch wohl kaum entgangen sein, dass Cecily schrecklich ordinär ist. Ich meine natürlich Viola."
Die Herzogin blickte ihn konsterniert an. "Du willst dir diese Bohnenstange als Geliebte nehmen?"
"Viel schlimmer, Mama. Ich will sie heiraten."
"John!", ächzte die Herzogin. "Du willst allen Ernstes wegen einer dahergelaufenen Miss Hawthorne eine Lady Elizabeth Debenham brüskieren?"
"Ja, genau. Aber tröste dich, Viola ist gar keine dahergelaufene Miss Hawthorne. Ihr Vater ist ein Baronet. Sie heißt in Wahrheit Hazel und ist die Tochter von Lord Hamilton Graham."
"Lord Hamilton Graham?", keuchte Lady Constance auf.
Hayward ergriff ihren Fächer, der ihren Händen entglitten war, und wedelte ihr damit Luft zu. "Atmen, Mama, atmen!", erinnerte er sie freundlich.
Dieses Gespräch war jedenfalls der Anlass dafür, dass die Herzogin umgehend ihre große Reisekutsche fertig machen ließ und alle Vorbereitungen dafür traf, ihren jüngsten Sohn schleunigst dem Einflussbereich dieses verderbten Matthew Hawthorne zu entziehen und nach Hause aufs Land zu bringen. Hayward war zu schwach, um sich seiner energischen Mutter (beziehungsweise ihren vier kräftigen Dienern, die sie vorausschauend aus dem eigenen Haushalt mitgebracht hatte) auf Dauer zu widersetzen. Es blieb ihm nicht einmal die Gelegenheit, Wilson damit zu beauftragen, Mr. Matthew Hawthorne
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