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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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sicher, will es aber versuchen.
    Am Abend, an dem der Onkel mit Vater darüber sprach, gab es viel Krach. Anna und du, ihr habt abgewaschen und dabei so laut gesungen, wie ihr konntet, um das Gezanke in der Wohnstube nicht hören zu müssen. Mutter war oben und hatte sich eingeschlossen.
    Pétur Jakob sagte viele hässliche Dinge und war genau wie Ingi, wenn er einen Wutanfall hat. Dann dampfte er hinausund knallte die Tür hinter sich zu, kam aber am nächsten Tag wieder, und da war seine Gereiztheit verflogen. Einar ist auch gekommen, und die drei haben sich lange unterhalten. Vater bat um einen Schluck Kaffee, und als du ihn gebracht hast, kamst du nicht umhin, etwas von ihrem Gespräch aufzuschnappen.
    Vater wollte nicht, dass Mutter ging. Traute ihr eine so lange Reise nicht zu. Doch Pétur Jakob bot an, sie zu begleiten. Sie könne bei ihrer Schwester Gunnhildur und Þórarinn wohnen, falls sie nicht eingewiesen werde. Vater wiederholte, dass nun zwar Hochsommer sei, aber schnell der Herbst einbrechen könne, und dann müsse man mit allen Wettern rechnen. Einar sagte, dass er sie bis über die Flüsse bringen könne. Glaubte, dass sie im Moment recht wenig Wasser führten.
    «Und wie wollt ihr sie dann wieder nach Hause bekommen?», fragte Vater. Du hörtest die Müdigkeit und den Ärger in seiner Stimme.
    «Fährt etwa kein Schiff zum Hornafjord?» Pétur Jakob war kurz angebunden, es gab offensichtlich Spannungen zwischen ihm und Vater.
    «Selbst wenn sie bis dorthin kommen sollte, ist sie längst noch nicht zu Hause. Muss durch Strom und Flüsse!»
    «Ich werde sie abholen», versprach Einar.
    «Und was, wenn dann schon Winter ist?», fragte Vater müde zurück.
    Jetzt stand der Kaffee auf dem Tisch, und Vater schloss entschieden die Tür. Mutter war die ganze Zeit oben. Du wärst am liebsten zu ihnen ins Zimmer geplatzt und hättest sie ausgeschimpft. Gefragt, ob sie schon mit Mutter gesprochen hätten. Sollte sie nicht dabei sein? Stattdessen aber hast du deine Laune in der Küche so lautstark an den Bechern ausgelassen, dass PrinzessinAnna herbeigestürzt kam und fragte, ob du den letzten Rest Verstand verloren habest.
    «Bring Mutter einen Kaffee hinauf, und zwar sofort», hast du sie angefahren. Dann bist du nach draußen gerauscht und die Wiese hinaufgelaufen. Hast dich an Mutters Stein gesetzt und die Tränen fließen lassen. Hast beim Weinen alles losgelassen. Lange dagesessen. Wolltest nicht nach Hause und auf die Onkel treffen, so rotnasig und verheult.
    Seit Pétur Jakob aufgetaucht ist, geht es mir besser. Sieht ganz so aus, als würde er Angst und Schatten verjagen. Ich stehe rasch auf und genieße es, seinen Erzählungen zu lauschen. An manchen Tagen bin ich in Rom. Im Geist habe ich mir ein Bild von den Straßen, den Statuen und vom Vatikan gemacht. Dort ist immer Sonne, und ich spaziere mit meinem kleinen Bruder, der längst größer ist als ich. Er spricht sogar Italienisch – alle Wege stehen uns offen. Diese Spaziergänge sind mit viel Musik verbunden. Sie klingt in meinem Kopf, und es geht mir wunderbar.
    Und jetzt soll ich tatsächlich mit ihm nach Reykjavík reisen. Es fällt mir schwer, das zu glauben, ich freue mich und habe gleichzeitig Angst. Ich wünschte, Stefán würde mitkommen. Er lauscht Pétur Jakob wie gebannt, sitzt an der Orgel und spielt in seiner Freizeit. Als ich Vigfús gegenüber davon sprach, dass Stefán mit uns komme, sagte er, dass der Junge ihm im Winter helfen müsse – vielleicht könne er später nachkommen.
    Das flüsterte ich Stefán zu, der daraufhin sagte, dass er nicht nach Reykjavík gehe. Dann erklärte er, dass Pétur Jakob in Oslo eine Schule für ihn finden wolle und ihm schon angeboten habe, dann bei ihm und seiner Frau zu wohnen. Dalachte er strahlend, und seine Freude war nicht zu übersehen. Ich konnte nicht anders, als ihn fest in den Arm zu nehmen.
    Du wirst draußen im Stall gerade mit dem Melken fertig, am Abend bevor sie aufbrechen. Da taucht Pétur Jakob auf. Er sagt, dass er stolz sei, eine so fleißige Nichte zu haben. Du senkst den Blick und wirst rot, doch er spricht weiter und sagt noch vieles mehr.
    «Wie langweilig es wird, wenn du gehst», flüsterst du und erschrickst über deine eigenen Worte. Aus Mutters Erzählungen kanntest du nur den kleinen Bruder. Das hier ist ein anderer Mensch.
    «Vielleicht kommst du nach Norwegen und besuchst uns», hörst du ihn sagen, und nun lacht er. Du bist so erschrocken, dass du aufsiehst und

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