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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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fortzufahren: „Der Brief ist in Cannes aufgegeben worden, wo
im Moment gerade das Filmfestival stattfindet. Simone ist dorthin gefahren, um
ihr Glück zu versuchen. Auf die Gefahr hin, zu Fuß wieder zurückkommen zu
müssen. Ihren Wagen hat sie nämlich zu Hause gelassen. Sie werden schnellstens
an die Côte fahren, sich meine Tochter schnappen und sie zu mir zurückbringen.
Wenn sie nicht alleine ist, wenn sie von irgend so einem Lackaffen begleitet
wird, dann hauen Sie dem Affen was in die Fresse und setzen Sie das auf die
Gesamtrechnung. Früher hätte ich so was eigenhändig erledigt, aber angesichts
meiner heutigen Stellung kann ich mir das nicht mehr erlauben.“
    „O.k. Wissen die Flics Bescheid?“
    „Nein. Simone ist einfach nur ausgerissen. Es
geht nicht um Kidnapping oder so was Ähnliches. Deswegen mache ich mir auch
keine allzu großen Sorgen. Es gefällt mir nur nicht, das ist alles. Warum also
die Polizei einschalten? Ich glaube, Sie haben das Format, die Sache alleine zu
bereinigen.“
    „Und Mademoiselle Cargelo? Ich vermute, sie hält
sich in Cannes auf. Wird Ihre Tochter nicht zu ihr gegangen sein?“
    „Rita ist in Cannes, ja. Ich habe sie angerufen
und ihr gesagt, daß...“ Er wurde rot und hüstelte verlegen. „Ah... Ich wollte
mich nicht lächerlich machen... Ich habe ihr lediglich gesagt, daß Simone sie
vielleicht besuchen würde. Wenn Simone tatsächlich bei ihr wäre, hätte Rita
mich doch wohl benachrichtigt, oder?“
    Dann gab mir Vater Coulon ein Foto seiner
Tochter und Alleinerbin, dazu noch ein paar Informationen, und ich fuhr gen
Süden.
    In Cannes herrschte das übliche
Festivalgedränge. Dennoch gewährte mir Rita Cargelo bereitwillig eine kurze
Audienz unter vier Augen. Die brünette Frau war nicht nur schön, sondern auch
äußerst liebenswürdig... wenn sie nicht gerade mit ihren Gedanken ganz woanders
war, was zwei- oder dreimal während unseres Gesprächs passierte. Ich nutzte die
Gunst der Minuten und warf einen Blick auf ihre gut gefüllte Bluse. Wirklich
eine Schande, diese Schätze zu verbergen und den Kinogängern vorzuenthalten! Davon
abgesehen, war der Umgang mit ihr — ich wiederhole es — sehr angenehm. Sie
sprach ein korrektes Französisch mit einem seltsamen Italo-Yankee-Akzent, wohl
eine Folge ihrer Aufenthalte in vielsprachigen Filmstudios. Ich verheimlichte
ihr nichts von Simones Ausreißversuch, der sie traurig zu stimmen schien.
Leider konnte sie mir jedoch nicht weiterhelfen. Ich blieb zwei Stunden an der
Côte und jagte — vergeblich! — irgendwelchen Informationen hinterher. Zurück in
Paris, stattete ich zahlreichen Freunden und Freundinnen des jungen Mädchens
ermüdende Besuche ab. Alles für die Katz. Der letzte Name auf meiner Liste
hatte mich nach Orléans geführt, ohne daß ich von dem Jungen mehr als von den
anderen erfahren hätte. Und dann, fast sofort, nachdem ich wieder zu Hause
eingetrudelt war, hatte mich, Schlag zwei Uhr an diesem frühen Dienstagmorgen,
das Telefon aus meinem todesähnlichen Schlaf gerissen.
     
    * * *
     
    Ich verließ die Dusche, befreite mich von meinem
klatschnassen Pyjama und schnappte mir das Telefonbuch, das nach Straßen
geordnet ist. Wie lautete die Adresse, die sie mir genannt hatte? Rue des
Mariniers... Da! 10a: Prunier, Emile, Kameramann. Kameramann? Aber natürlich!
Dort mußte Simone sich aufhalten. Wo sonst sollte sie stecken, wenn nicht bei
einem Kameramann? BRUne 24-58. Ich wählte die angegebene Nummer. Dieser Prunier
bewegte sich nicht vom Fleck. Es klingelte in seiner Wohnung, was das Zeug
hielt, doch niemand hob ab. Auch gut! Es wäre sowieso das Beste, ich würde
persönlich nach dem Rechten sehen. Ich schluckte drei Wachmacher, um die noch
andauernde Wirkung des Schlafmittels zu bekämpfen, und machte mich auf den Weg.
     
    * * *
     
    Die Rue des Mariniers ist eine ruhige Straße in
der Nähe der Porte de Vanves. Sie macht den Eindruck, als verstecke sie sich hinter
dem Boulevard Brune. Um 2 Uhr 30 lag hier alles in tiefstem Schlaf. Die Nummer
10 a unterschied sich von ihren Nachbarhäuschen vor allem durch die obere
Etage. Wie ein Maleratelier bestand sie aus einem riesigen Fenster. Vor dem
Haus stand ein Auto, eine Floride.
    Ich parkte ein paar Meter weiter und ging zu Fuß
zurück. In der Floride saß niemand. Ich musterte das Häuschen, von dem
mich ein Gärtchen, Modell „Wildwuchs“, und eine halbhohe Mauer mit einem
Gitterzaun trennten. Die geschlossenen Fensterläden der

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