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Im Schattenreich des Dr. Mubase

Im Schattenreich des Dr. Mubase

Titel: Im Schattenreich des Dr. Mubase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Drehdollen knarrten, und das Wasser
gluckerte unter dem Kiel.
    Tim sah einen Schwarm Fische. Rotaugen,
vermutlich. Der schmale lange Schatten war wohl ein Hecht. Der TKKG-Häuptling
dachte an den Sommer zurück, an die sonnigen Nachmittage, als die TKKG-Bande am
Ufer gepicknickt hatte und natürlich ausgiebig geschwommen war.
    Wieder blickte er hinter sich.
    Nur noch vier Bootslängen bis zur
Insel.
    Er stemmte die Ruder entgegen der
Fahrtrichtung, verminderte das Tempo und ließ den Kahn dann gleiten.
    Scharf pfiff der Wind. Das Schilf, mit
dem die Insel mannshoch bewachsen war, bog sich.
    Schroffer Fels hielt Tim seine Kanten
entgegen. Damit am Bug nichts splitterte, fing Tim — weit vorgebeugt — das
Anlanden mit den Händen ab.
    Er sprang auf die Insel, hielt die
Kette fest. Der abgesägte Stumpf eines armdicken Bergahorns bog sich
inselwärts. Wunderbar! Tim ruckte daran. Fest wie ein Poller! Der TKKG-Häuptling
schlang die Kette darum, hakte das letzte Glied über ein Aststück.
    Und jetzt, dachte Tim, wappne ich mich
mit Geduld und beobachte...
    In dieser Sekunde hörte er das Husten.
Jemand hustete! Hier auf der Insel! Keine fünf Meter entfernt hustete jemand!
Vermutlich in der Hütte, deren Dach das Schilf überragte. Tim sah das Dach,
jetzt, da er sich aufrichtete.

    Heiliger Strohsack! Ausgerechnet!
    War einer der bekifften Patienten
ausgerissen, schwimmend zur Insel geflüchtet, um nun die Lungenentzündung
abzuwarten? Oder legte hier der hauseigene Fischer Angel und Reuse aus, um
Forelle, Schleie und Barsch für den Mittagstisch zu fangen?
    Tim verharrte.
    Das Husten wiederholte sich nicht.
    Geduckt schlich er los.
    Vorsichtig bahnte er sich einen Weg
durch das Schilf.
    Zum Glück stob jetzt der Wind mit allen
Kräften heran und übertönte die kleineren Geräusche.
    Nach wenigen Schritten sah Tim die
Hütte vor sich. Sie war etwa zwei Meter lang, halb so breit und nicht
sonderlich hoch. Bretter und Stämme als Pfosten. Der Eingang, den Tim noch
nicht sehen konnte, wies nach Süden.
    Wieder wurde gehustet, krächzend und
sehr erkältet. Ein männliches Husten. Bei weiblichen Wesen klingt es
unverkennbar anders.
    Der Mann war in der Hütte.
    Was mache ich? überlegte Tim.
     

22. Die Dame auf dem Dach
     
    Gaby beherzigte Tims Ratschlag und
hatte sich warm verpackt — in Jeans, Stiefel und gefütterte Jacke. Dazu ein
blaues Mützchen, aus dem der Pferdeschwanz hing.
    Auf dem Gepäckträger ihres Klapprades
hatte Gaby einen Korb festgeklemmt. Unter einem Tuch lagen ein Rosinenbrot,
selbstgebackene Kekse, vier Becher Joghurt, ein Bündel reifer Bananen,
Apfelsinen und drei Tüten Milch mit dazugehörigen Trinkhalmen.
    Wenn das nichts ist! dachte Gaby. Ja,
ich sorge für die TKKG-Bande. Klößchen wird mir die Hände küssen. Kann ja auch
ein langer, harter Tag werden vor und hinter der Klinik. Armer Tim! So ganz
allein auf der Insel. Windgepeitscht und sturmumbraust. Sicherlich ist er zu
leicht angezogen und hat nichts bei sich zur Stärkung. Aber aus Eisen wie er
ist, hält er das aus. Gott, o Gott, hoffentlich kommt der blöde Koks-Lieferant
nicht erst mit Einbruch der Dunkelheit. Hoffentlich plant er seinen Besuch für
den Nachmittag ein. Dann müssen wir nicht stundenlang ausharren, bibbern uns
nicht im Wald und auf der Insel die Fußnägel ab. Ausgerechnet heute öffnet der
Herbst seine Kühlschranktür.
    Gaby radelte über die Straße am
Westufer des Rohrpfeifer Sees. Vorgestern hatte hier das Straßenrennen sein
jähes Ende gefunden — mit Eugen Flunzls Zusammenbruch, dem Anstoß zum
Nachforschen in Sachen Amphetamin.
    Die Straße war einsam.
    Ein Jogger, von seinem Dalmatiner
begleitet, kam Gaby entgegen, später ein Mountain Bike-Fahrer. Das war alles.
    Gaby erreichte die Klinik.
    Das Tor war geschlossen, leer der
Parkplatz.
    Bunte Blätter bedeckten den Boden.
Unter den Bäumen landeinwärts häkelte silbriger Dunst schmale Bänder.
    Gaby fuhr unter die Bäume, zog sich in
den Waldrand zurück.
    An eine Schichtholzbank, die mit Planen
bedeckt war, lehnte sie ihr Rad. Den Korb stellte sie ins Trockene.
    Gaby setzte sich auf einen Baumstumpf
und wartete.
    Die Stelle war günstig gewählt. Tims
Freundin konnte Tor und Parkplatz überblicken, befand sich aber näher an dem
ersten der drei Patientenhäuser. Dessen Dach — ein sogenanntes Pultdach mit
sanfter Schräge und vier Dachliegefenstern — überragte die Mauer. Gaby konnte
sehen, daß der Brandgiebel mit Kupferblech verziert

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