Im Schattenreich des Dr. Mubase
zwei Portionen Kakao geholt und war mit der ersten fertig. „Aber von
wo aus beobachtest du die See-Seite?“
„Ich habe mir das so überlegt: Wem tut
es weh, wenn ich noch einen zweiten Kahn losmache? Mit dem rudere ich zu der
Insel Seefleck. Und zwar so, daß ich mich bei der Annäherung im toten Winkel
befinde. Du verstehst?“
„Kein Wort.“
Tim seufzte. „Ich achte drauf, daß die
Insel immer in gerader Linie zwischen mir und dem Klinikgelände ist — als meine
Deckung. Ich lande auf der abgewandten Seite, mache das Boot fest — behalte
notfalls die Kette in der Hand — und verstecke mich in der Hütte. Es wird zwar
zugig und feucht sein. Aber ich habe einen tollen Beobachtungsposten. Wenn der
Koks-Lieferant übers Wasser kommt, sehe ich ihn. Später suche ich nach dem
gestrigen Kahn, sammle ihn ein und bringe beide zurück. Damit wir unser
Gewissen sauberhalten, erkundigen wir uns, wem die Boote gehören. Für die
kaputten Vorhängeschlösser — auch für das gestrige — schicken wir dem
Eigentümer Entschädigung. Also Geld. Aber ohne Namen.“
„Prima. Und wann sagen wir Gabys Vater
Bescheid?“
„Sobald wir auch den Koks-Lieferanten
kennen — ihn zumindest beschreiben können. Dann ist die Sache rund. Gregor und
Paul werden verhaftet. Kokain und Amphetamin wird bei ihnen gefunden. Und...
Naja, entscheidende Fragen warten immer noch auf Antwort: Wo ist Lothar
Sickelgrub? Arbeiten Paul und Gregor auf eigene Rechnung, oder sind Sie Dr.
Mubases Handlager?“
„Ein bißchen“, meinte Klößchen, „darf
ja auch im polizeilichen Verhör aufgeklärt werden.“
„Wenn Kommissar Glockner verhört, ist
das garantiert. Er hat schon die verstocktesten Übeltäter zum Reden gebracht
und die finstersten Abgründe ihrer Taten ausgeleuchtet. Trotzdem muß es unser
Ehrgeiz bleiben, möglichst weit vorzudringen, wenn wir ermitteln. Sonst könnten
wir uns unser Motto ,ein Fall für TKKG’ gleich an den Hut stecken.“
„Da du gerade Hut sagst — ob ich meine
Golfmütze aufsetze?“
„Hauptsache, du wirst endlich mit dem
Frühstück fertig.“ Fünf Minuten später saßen sie auf den Strahlrossen. Klößchen
mit Parka und Mütze, Tim in einen wetterfesten Anorak gehüllt.
Es war kühler als gestern. Und der Wind
drückte den Jungs hart gegen die Brust.
Als sie an der verfallenen Scheune
vorbeikamen, überzeugte sich Tim mit einem Blick, daß Lothar Sickelgrubs Wagen
immer noch da war.
Wo der Weg ins Schilf führte, trennten
sich die Wege. Klößchen radelte weiter. Tim versteckte sein Rad und lief den
Weg hinunter zum Anlegesteg.
Rohre und Blätter raschelten. Ab und zu
der Ruf eines Wasservogels. Der Boden war feucht.
Tim erreichte das Ufer — und blinzelte
verblüfft.
Zwei Kähne waren, wie auch gestern, mit
Ketten am Steg festgemacht. Ein dritter — der dritte, den die Jungs
benutzt hatten — schaukelte zwischen ihnen auf flachen Wellen. Das Heck hatte
sich unter ein Brett des Stegs geschoben. Deshalb hob sich der Bug etwas aus
dem Wasser, und die geknackte Kette hing hinein.
Gibt’s denn das? dachte Tim. Der Wind
hat ihn hierher getrieben, zurück an seinen angestammten Platz. Braver Kahn!
Immer schön in den Hafen zurück. Das erspart mir, eine Kette zu sprengen.
Er stieg ein.
Die Ruder waren immer noch innenseitig
verkeilt. Niemand hatte das Boot angerührt seit gestern nacht.
Tim wischte die Nässe von der Ruderbank
und stieß ab.
Er ruderte los, aber zunächst in eine
andere Richtung als letzte Nacht, diesmal auf den See hinaus, um sich erst
allmählich dem Westufer, bzw. der Klinik, zu nähern.
Der Wind pfiff. Tim drehte sich oft um.
Als er auf der Höhe der Insel Seefleck
war, legte er sich in die Riemen. Das Boot flog darauf zu.
Freilich — als Sichtblende würde sich
die kleine Insel erst bewähren, wenn er sie fast erreicht hatte.
Vorher konnte er leicht gesehen werden
— von der Mubase-Klinik aus und von dem ufernahen der drei Patientengebäude.
Doch der TKKG-Häuptling war guten Mutes.
Er vertraute darauf, daß an diesem
Sonntagvormittag allen dort das große Gähnen im Hals steckte, daß jedermann den
Ausblick auf den See hinlänglich kannte und gar nicht mehr hinsah.
Außerdem wurde es von Minute zu Minute
dunstiger. Nebelschweife schwänzelten umher. Das Nordufer war schon im Dunst
abgesoffen.
Ein guter Ruderer vermeidet, daß die
Ruderblätter spritzen und taucht sie lautlos ein. Tim ist ein guter Ruderer.
Kaum hörbar glitt das Boot dahin. Nur die
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