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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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schwarze Rauchwolke aus ihrem Maul aufsteigen ließ.
    Im selben Moment befiel Samuel ein leichter Schwindel. Eine plötzliche Verwirrung, die ihn vergessen ließ, wer er war.
    Wer bin ich? Wo bin ich?
    Ich bin Manuel Brink.
    Ich bin in Moorwegen.
    Ich bin Lamuel Fink.
    Ich bin in Rohrwegen.
    Während dieses merkwürdigen Zustands erschlaffte sein ganzer Körper, inklusive der Hand, die das weiße Halsband festhielt.
    Die Finger öffneten sich und das Halsband fiel zu Boden. Er kniff die Augen zusammen, zwinkerte ein zweites Mal, worauf sich der Schwindel allmählich verflüchtigte.
    Ich bin Samuel Blink. Ich bin in Norwegen.
    Er blickte zu Boden und sah eine schwarze Katze mit einem schwarzen Halsband im Gras sitzen.
    »Miez, miez, na komm, mein Kätzchen.«
    Samuel betrachtete ihre grünen Augen und wusste nicht, dass er erst vor wenigen Minuten beobachtet hatte, wie sie plötzlich schwarz geworden waren. Genauso wenig konnte er sich an die kleine schwarze Rauchwolke erinnern, die dem
Maul der Katze entwichen war, oder an das weiße Halsband, das nun neben seinen Füßen im Gras lag.
    Die Katze fauchte ununterbrochen - im Bemühen, eine weitere Rauchwolke auszustoßen, doch es gelang ihr nicht. Samuel wusste natürlich nicht, was die Katze im Sinn hatte, weil die Geschehnisse der letzten Minuten in seinem Bewusstsein nicht mehr vorhanden waren.
    »Was ist los mit dir?«, fragte er, indem er sich langsam auf die Katze zubewegte. »Na, komm, wir könnten miteinander spielen.«
    Als er gerade ihr schwarzes Halsband berühren wollte, fuhr die Katze herum und sprang in höchstem Tempo dem Wald entgegen. Samuel wollte ihr nachsetzen, wurde jedoch schon nach wenigen Schritten von der Stimme seiner Tante zurückgehalten.
    »Samuel, stopp! Komm sofort hierher!«
    Er drehte sich um und sah seine Tante vor dem Haus stehen. In der Hand hielt sie das Messer, mit dem sie Ibsens Abendessen zerkleinerte.
    Unter anderen Umständen wäre er einfach weitergelaufen. Schließlich sind die Dinge, die einem von Eltern und Tanten verboten werden, normalerweise am spannendsten und doppelte Mühe wert.
    Doch als Samuel sah, wie die schwarze Katze über Kiefernzapfen hinwegflitzte und im undurchdringlichen Dunkel des Waldes verschwand, blieb er stehen. Nicht weil Tante Eda ihn dazu aufgefordert hatte. Nicht weil er gegen den Wind gelaufen und außer Atem geraten war. Nein, er blieb stehen, weil er von einer plötzlichen Angst ergriffen wurde, die so massiv und real war wie eine Mauer.
    Für einen Moment blieb er unbeweglich stehen und starrte die rauen Kiefernstämme an, die nur wenige Meter von ihm entfernt waren. Sie standen wie Ehrfurcht gebietende Wächter
zwischen ihm und dem unbestimmten, unbekannten Land. Er meinte, etwas gehört zu haben, ein rätselhaftes, weit entferntes Rufen, das nicht von dieser Welt zu stammen schien.
    Dann bemerkte er, wie die Dunkelheit plötzlich ihren Charakter veränderte und dort, wo eben noch die Katze gewesen war, jetzt ein anderes, kleineres Tier stand. Ein Vogel? Er wusste es nicht. Wollte es auch nicht wissen. Er machte auf dem Absatz kehrt und lief mit dem Wind im Rücken zu seiner ängstlich dreinblickenden Tante zurück. Er konnte nicht mehr beobachten, wie das weiße Halsband vom Wind erfasst und über das Gras in Richtung Fjord getrieben wurde.

Der Flug der Schattenhexe
    M it einer einfachen Drehung ihres Kopfes verwandelte sich die Schattenhexe von einer schwarzen Katze in einen Raben, während das Halsband zusammenschrumpfte, bis es perfekt um den Hals des Vogels passte.
    Sie flog tief zwischen den Bäumen hindurch und durchquerte das alte Dorf der Huldren, in deren Häusern Skelette lagen. Sie schwebte an den Steinhäusern der Trolle vorbei und bahnte sich ihren Weg durch die Kiefern, bis sie die Lichtung im nördlichen Teil des Waldes erreichte.
    Dort stand ein Baum, ein breiter Baum mit dunklem Stamm, größer als jeder andere in der jenseitigen Welt. In seinen Ästen barg er einen hölzernen Palast. Der imposante Baum stand ein Stück von den Kiefern entfernt, welche die Lichtung umstanden, und war bei denjenigen, die ihm überhaupt einen Namen gaben, als Baum der Stille bekannt.
    Als die Schattenhexe durch ein Fenster in das Innere des Palastes flog, gewann sie ihre ursprüngliche Gestalt zurück und war wieder ein graues, verhutzeltes altes Weib mit schwarzen Augen, deren Mund beim Atmen diffuse Schatten entwichen.
    »Ich habe Neuigkeiten, Meister.«
    Der Mann, den sie ansprach, hielt

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