Im Schutz der Nacht
hatte, ihre neue Rolle zu akzeptieren, doch andererseits war sie auch die Einzige gewesen, die sich freiwillig Scheuklappen angelegt hatte.
In der irritierenden Art, die den meisten Männern zu eigen scheint, war er schlagartig wieder sachlich geworden und beriet sich mit Creed und den übrigen Männern. Creed hatte sogar ein Notizbuch vorliegen, in dem er etwas mit schnellen Strichen skizzierte. Alle drängten näher, um mitzubekommen, was besprochen wurde.
»Die Brücke wurde gesprengt«, berichtete Cal. »Das war die Explosion. Da der Strom direkt davor ausgefallen ist, ist klar, dass sie auch die Drähte gekappt haben. Die Telefonleitung ist ebenfalls unterbrochen. So wie die Schützen Stellung bezogen haben, scheinen sie uns davon abhalten zu wollen, durch den Bergeinschnitt zu fliehen und Hilfe zu holen. Sie wollen uns einschließen und abriegeln.«
»Aber was wollen diese Leute verflucht noch mal? Und wer sind sie überhaupt?« Walter fuhr sich frustriert mit der Hand durch das schüttere Haar.
»Ich habe niemanden gesehen, aber ich vermute, dass die beiden Männer von letzter Woche Verstärkung geholt haben, und was sie wollen ...« Cal zuckte mit den Achseln. »Ich kann mir nur vorstellen, dass sie mich haben wollen.«
»Weil du sie überrumpelt hast?«
»Und ihnen eins übergezogen hast«, ergänzte Neenah. Sie saß direkt neben Creed auf dem nackten Beton. Seit der vergangenen Nacht war sie nicht mehr von seiner Seite gewichen.
»Ich habe nicht gesagt, dass es ein vernünftiger Grund ist«, sagte Cal. »Manche Menschen greifen zu allen Mitteln, wenn ihr Ego verletzt wird.«
»Aber das ... das ist so überzogen, dass es völlig verrückt ist«, protestierte Sherry. Sieben Menschen waren gestorben. Das war mit keinem noch so gekränkten Ego zu rechtfertigen. »Wenn sie so sauer auf dich sind, hätten sie dich doch irgendwo abfangen und vermöbeln können.«
»Ich lasse mich nicht so leicht vermöbeln«, meinte er nachsichtig. »Vielleicht will uns die Mafia auf diese Weise erklären: >Haltet euch da raus<. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Die Mafia? Du glaubst, die Mafia steckt dahinter?«, meldete sich Milly zu Wort.
Er beantwortete die Frage mit einem weiteren Schulterzucken. »Ich halte es jedenfalls für möglich.«
»Geographisch betrachtet sind wir im Nachteil«, lenkte Creed das Gespräch auf das eigentliche Thema zurück. Er deutete auf die Karte, die er skizziert hatte. »Der Fluss verhindert, dass wir auf dieser Seite operieren können. Die Strömung ist zu stark, als dass wir ihn irgendwo in der Nähe des Ortes queren könnten, und an diesen Felsen würde jedes Boot innerhalb weniger Sekunden zerschellen. Flussaufwärts liegt die Schlucht, die sich nicht umgehen lässt, in dieser Richtung brauchen wir also nichts zu versuchen.«
»Die Halbinsel, auf der Trail Stop liegt, ist wie ein Pantoffeltierchen geformt«, fuhr Cal fort. »Die Brücke über den Bach befand sich am Schwanz, und diesseits des Schwanzes liegt der Fluss. Dort endet unser Aktionsbereich, denn der Fluss ist ein natürliches Hindernis. Hier drüben«, er tippte auf Creeds Zeichnung, »haben wir Berge, die höchstens eine Bergziege besteigen könnte. Damit bleibt uns allein diese Seite des Pantoffeltierchens, in Richtung des Bergeinschnittes, den sie mit ihren Schützen abgeriegelt haben. Sie haben Infrarot-Zielfernrohre, die nachts am effektivsten sind, allerdings brauchen sie tagsüber keine Zielhilfen. Ich werde bis zur Nacht warten und dann ins Wasser steigen, um meine Körperwärme abzuschirmen.«
»Wie lange wirst du brauchen, um durch den Einschnitt zu gelangen?«, fragte Sherry.
»Ich muss gar nicht durch den Einschnitt. Wenn ich es bis hinter einen der Schützen schaffe, habe ich damit ihre Linien durchbrochen und kann der Straße folgen.«
Cate holte hörbar Luft. Sie hatte keine Erfahrung in Militärtaktik, aber sie hatte nicht vergessen, wie ausgekühlt er gestern gewesen war, wie knapp er vor einer Unterkühlung gestanden hatte. Und das Wasser war seither nicht wärmer geworden. Wer konnte schon sagen, wie lange er in dem Wildbach bleiben und auf den geeigneten Augenblick warten musste? Anschließend müsste er stundenlang in seinen kalten, nassen Sachen zu Fuß gehen, wobei er mit jedem Schritt Körperwärme verlieren würde. Falls ihn einer der Männer auf dem anderen Ufer bemerkte, würden sie ihn jagen wie ein wildes Tier, und er wäre zu durchgefroren, um ihnen lange zu entkommen. Warum sagte niemand
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