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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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mussten. Ob das Eis schmelzen würde, war völlig offen; sie hatten keinen Wetterbericht gehört. Falls es wärmer wurde und Eis und Schnee tatsächlich schmolzen, stellte sie das nur vor neue Probleme.
    Ihre Essens- und Wasservorräte reichten gerade für vier Tage und zwei Personen, anderthalb Tage aus ihrem Vorrat hatten sie bereits verzehrt. Wenn sie ihren Weg fortsetzten, würde ihnen zwei Tage vor der Ankunft an Creeds Hütte der Proviant ausgehen.
    Die unzureichende Kleidung war das nächste Problem. Sie hatten alles auf eine Karte gesetzt und so wenig wie möglich mitgenommen, weil sie auch so schon beinahe zu schwer beladen waren, um zu klettern, und sie hatten verloren. Sie konnten auf keinen Fall weiter.
    All das leuchtete Cate ein. Doch Cals Vorschlag gefiel ihr nicht.
    Er schickte sie allein zurück. Den Rückweg würde sie viel schneller bewältigen als den Herweg, weil sie sich über den Felsen abseilen konnte. Schon in wenigen Stunden wäre sie wieder in Trail Stop.
    Er würde währenddessen die Männer mit den Gewehren aufmischen.
    Sie hatte ihm vorgehalten, dass er allein durch die Wildnis wandern würde, dass er durch den Schnee musste, dass er nicht die richtige Kleidung anhatte und dass das Wetter immer noch umschlagen konnte. Außerdem müsste er durch den eisigen Wildbach waten und würde nass; keiner ihrer ursprünglichen Einwände war inzwischen hinfällig.
    Er war nicht ihrer Meinung. Er sagte, die Erkenntnis, dass Mellor auf etwas Bestimmtes aus sei, etwas, das Cate seiner Meinung nach besitzen musste, ändere alles von Grund auf. Falls Mellor gewillt war, zu so extremen Mitteln zu greifen, dann mussten sie annehmen, dass er vor nichts zurückscheuen und auch nicht viel länger warten würde. Er konnte es sich nicht leisten, lange zu warten, weil es ein heikles Vorhaben war, einen ganzen Ort von der Außenwelt abzuschneiden und zu attackieren; er musste jederzeit mit Unwägbarkeiten oder einer Einmischung von außen rechnen. Vielleicht würde Marbury zurückkommen, weil er noch mehr Fragen hatte. Womöglich würde ein Reparaturtrupp des Stromversorgers auftauchen. Alles war möglich.
    Mittlerweile hatte Mellor wahrscheinlich seine Forderungen gestellt. Wenn er das, was er haben wollte, nicht bekam, sprach nichts dafür, noch weiter abzuwarten. Vielleicht würde er anfangen, die Häuser mit Brandsätzen zu beschießen und sie abzufackeln. Mellor war das zuzutrauen. Cate war fassungslos, welche Enzyklopädie an Grausamkeiten Cal in seinem Kopf herumtrug. Unter dem Strich war er jedenfalls der Ansicht, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, bis die Situation eskalierte und noch mehr ihrer Freunde getötet wurden.
    Sie drang nicht mehr zu ihm durch. Inzwischen hatte er sich in eine Art geistiger Festung zurückgezogen; er war nur noch darauf konzentriert, was er tun musste. Schließlich saß sie verzweifelt schweigend neben ihm und schaute zu, wie er Schneeschuhe anfertigte, die verhindern sollten, dass sie im Schnee einsanken, und die ihre Schuhe trocken halten würden.
    Ihre Turnschuhe waren noch nicht wieder völlig getrocknet, und das Leder war von der Nähe des Feuers steif geworden, aber er hatte die leeren Plastiktüten aufgehoben, in denen sie das Müsli transportiert hatte, und sie über ihre Füße gezogen, bevor sie wieder in die Schuhe stieg. Die Tüten passten nicht wirklich, aber sie boten leidlich Schutz vor dem nassen Schnee.
    Er setzte sich im Schneidersitz auf die Matte und machte sich mit konzentrierter Miene an die Arbeit. Er hatte ein paar junge, etwa daumendicke Schösslinge gekappt und sie mit seinem großen Taschenmesser entastet. Außerdem hatte er mehrere dünne Zweige mit eingeschnittenen Enden sowie ein etwa sechzig Zentimeter langes Stück Seil bereitgelegt. Anschließend hatte er das Seil in mehrere Stränge aufgedröselt.
    Als Nächstes bog er die Schösslinge zu einem U, legte die Enden übereinander und befestigte sie mit einem Schnurstrang. Die eingekerbten Stöcke wurden kreuzweise in das U gespannt und dann an beiden Seiten festgebunden. Der so entstandene Schneeschuh war klobig, aber stabil. Er schnitt noch ein Stück Seil ab und band damit den Schneeschuh an ihren rechten Fuß. Innerhalb einiger Minuten hatte er auch den zweiten Schneeschuh gefertigt und ließ sie probeweise damit herumgehen.
    Sie hatte noch nie Schneeschuhe getragen und merkte schnell, dass man darin unmöglich normal gehen konnte. Man ging nicht in Schneeschuhen, man stapfte und schlurfte

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