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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Bad lagen ein Einwegrasierer und eine Dose Rasierschaum auf dem Waschbeckenrand, direkt neben dem Wasserhahn stand ein Deospray. Ein offener Kulturbeutel lehnte auf dem Spülkasten der Toilette, darin konnte sie eine Bürste, eine Tube Zahnpasta und ein Zahnbürstenetui sowie mehrere einzelne Pflaster erkennen.
    Soweit sie sehen konnte, war nichts von Wert hier geblieben, aber immerhin hingen die meisten Menschen an ihren Sachen. Wenn er all das zurückgelassen hatte, hatte er bestimmt vorgehabt, wiederzukommen. Andererseits war er aus dem Fenster geklettert, was eindeutig den Anschein erweckte, dass er geflohen und nicht einfach abgefahren war.
    Vielleicht war es das. Vielleicht war er gar nicht verrückt. Vielleicht war er geflohen.
    Die Frage war nur: Wovor? Oder vor wem?

4
    Yuell Faulkner betrachtete sich in erster Linie als Geschäftsmann. Er führte sein Unternehmen, um Geld zu verdienen, und da er seine Auftraggeber über Mundpropaganda gewann, konnte er sich keine groben Schnitzer leisten. Ihm ging der Ruf voraus, dass er jeden Job effizient und ohne Aufhebens erledigte, wie dieser Job auch aussehen mochte.
    Manche Jobs lehnte er von vornherein ab, und zwar aus verschiedensten Gründen. Nummer eins auf seiner Liste von Ablehnungsgründen war, wenn ein Job möglicherweise das FBI auf ihn aufmerksam machte. Das hieß, dass er sich im Allgemeinen aus der Politik heraushielt und bemüht war, nichts zu tun, was landesweit Schlagzeilen machte. Der Trick bestand darin, einen schlagzeilenträchtigen Job so auszuführen, dass er als Unfall durchging.
    Um auf Nummer sicher zu gehen, recherchierte er stets erst gründlich, wenn ihm ein Job angeboten wurde. Manche seiner Auftraggeber sagten nicht die volle Wahrheit, wenn sie ihm ein Angebot unterbreiteten. Immerhin machte er seine Geschäfte nicht mit Menschen von unanzweifelbarem Charakter. Darum überprüfte er alle Informationen, die er bekam, und entschied erst danach, ob er den Job übernahm oder nicht. Er versuchte, sein Ego so weit wie möglich aus dieser Entscheidung herauszuhalten und sich nie von dem Adrenalinrausch verführen zu lassen, den er beim Meistern einer vertrackten Situation spürte. Er konnte die heißesten Jobs übernehmen und sie mit dem ihm gegebenen Witz und Organisationstalent gegen alle Wahrscheinlichkeit erledigen, aber die großen Casinos in Las Vegas gingen vor allem deshalb nicht pleite, weil sie sich auf die Wahrscheinlichkeit verließen und weil jeder, der dagegen wettete, irgendwann verlor. Er war nicht im Geschäft, um sein Ego aufzublasen; er war im Geschäft, um Geld zu verdienen.
    Und er wollte am Leben bleiben.
    Als er in Salazar Bandinis Büro spazierte, wusste er, dass er diesen Job übernehmen musste, wie er auch aussehen mochte, sonst würde er nicht wieder hinausspazieren.
    Er kannte Salazar Bandini, das hieß, er kannte ihn so gut wie jeder andere. Yuell wusste, dass Bandini nicht sein wahrer Name war, aber woher er gekommen war, bevor er auf den Straßen Chicagos aufgetaucht war und diesen Namen angenommen hatte, wusste keiner. Bandini war ein italienischer Name; Salazar nicht. Der Mann hinter dem Schreibtisch sah eher slawisch oder vielleicht deutsch aus. Mit diesen breiten Wangenknochen und den wulstigen Brauen konnte er sogar Russe sein. Bandini hatte blassblondes, spinnwebendünnes Haar, durch das die rosa Schädeldecke leuchtete, und braune Augen, die so unbeseelt wirkten wie die eines Hais.
    Bandini lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ohne Yuell einen Platz anzubieten. »Sie sind sehr teuer«, bemerkte er. »Sie halten viel von sich.«
    Dazu war wenig zu sagen, denn damit hatte er Recht. Was Bandini auch von ihm wollte, offenbar wollte er es um jeden Preis, sonst hätte er Yuell nicht herbeordert. Aufgrund dessen musste Yuell davon ausgehen, dass er keineswegs zu viel verlangte, sondern dass er im Gegenteil eventuell seine Tarife erhöhen sollte.
    Nach einer langen Minute, in der Yuell darauf wartete, dass Bandini ihm verriet, wozu er ihn brauchte, und Bandini darauf wartete, dass Yuell einen Anflug von Nervosität zeigte, was keinesfalls passieren würde, sagte Bandini: »Setzen Sie sich.«
    Doch Yuell beugte sich über den Schreibtisch, nahm einen Stift aus dem sündhaft teuren Stifthalter neben dem Telefon und suchte nach einem Zettel. Doch die blank polierte Schreibtischplatte war leer. Er sah Bandini mit hochgezogenen Brauen an, der öffnete, ohne die Miene zu verziehen, eine Schublade, um einen Notizblock

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