Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
und wirkte wieder mehr wie sein normales, etwas verblichenes Ich.
»Wir haben diese Bande jahrelang überwacht«, erwiderte Lena Hellström.
»Wir auch«, sagte Kommissar Bratt.
»Aber eure Leute haben nicht gesehen, wie sie das Kokain weggeschafft haben, und auch nicht, wo sie es versteckt haben«, stellte Tommy Persson fest.
Seine beiden Kollegen sahen aus, als hätten sie etwas Bitteres verschluckt, sagten aber nichts. Stattdessen fuhr Tommy fort:
»Dank der Pulverreste, die die Kriminaltechniker bei unserer Razzia gesichert haben, wissen wir, dass sich das Kokain im Clubhaus befunden hat. Hat jemand eine Theorie, wo es jetzt sein könnte?«
Jetzt nickte die Kommissarin vom Rauschgiftdezernat so heftig, dass ihr Holzhalsband wie eine Klapperschlange klang.
»Ich kenne Per Lindström ziemlich gut. Schon lange bevor er Chef des Gothia MC wurde, verkehrte er im Drogenmilieu. So blöd, den Stoff zu Hause aufzubewahren, ist er im Unterschied zu Kazan Ekici nicht. Aber ich glaube auch, dass er den Stoff nicht gänzlich aus den Augen lassen will. Es gibt sicher ein Versteck in Lindströms Nähe«, sagte sie mit Nachdruck.
Die Stimmung im Raum hatte sich im Laufe des Gesprächs entspannt, was Irene erleichterte. Sie fand, dass es zwischen den Dezernaten zu viele Revierstreitigkeiten gab. Dabei war die Situation bei der Polizei Göteborg aber noch harmlos. Im Laufe der Jahre und dank zunehmender Arbeitsbelastung hatten die verschiedenen Dezernate gelernt, relativ gut zusammenzuarbeiten.
»Ich glaube, Per Lindström wollte nach dem Doppelmord erst einmal untertauchen, bis das Schlimmste vorbei war. Dann wurde Patrik Karlsson ermordet. Das passte ihm vermutlich überhaupt nicht in den Kram«, meinte Tommy Persson.
»Ganz und gar nicht! Durch den Tipp Ann Wennbergs wusste er auch von unserer Razzia. Deswegen versteckte er das Kokain woanders«, stellte Stefan Bratt fest.
Tommy Persson nickte.
»Dann wurde es also frühestens am Tag vor der Razzia weggeschafft«, sagte er.
Eine Weile lang dachten alle darüber nach, wie der Transport abgelaufen sein könnte, dann sagte Irene:
»Das Wohnmobil.«
»Das Wohnmobil?«, wiederholte Lena Hellström.
»Als wir die Razzia auf das Clubhaus durchführten, wäre der erste Mannschaftswagen beinahe mit einem riesigen Wohnmobil zusammengestoßen, das gar nicht schnell genug von dort wegkommen konnte. Fredrik sah, dass Per Lindströms Frau am Steuer saß. Vielleicht befand sich das Rauschgift in dem Wagen. Das würde auch erklären, warum die Fahrerin es gar so eilig hatte. Außerdem hatten sie das gesamte Clubhaus sorgfältigst geputzt«, sagte Irene.
»Woher weißt du, dass das Clubhaus frisch geputzt war?«, wollte Hellström wissen.
»Wir platzten mitten in einen sogenannten Familientag. Es wimmelte von Leuten. Überall roch es nach Ajax. Es blitzte förmlich.«
Nachdenklich fuhr sich Tommy mit den Fingern durchs Haar. Er schien über etwas nachzusinnen.
»Wie viel Kokain habt ihr auf dem Segelboot gefunden?«, fragte er plötzlich.
Die Frage war an Lena Hellström gerichtet. Diese spitzte etwas ihre orange glänzenden Lippen und dachte nach.
»Ich meine mich zu erinnern, dass es sich um ge nau 14 Kilo ungestrecktes Kokain handelte, das in 56 Pakete verpackt war. Damit war das Versteck bis zum Rand gefüllt«, sagte sie mit Nachdruck.
»Es könnten also in dem anderen Versteck weitere 14 Kilo reines Kokain gelegen haben. Schließlich war es ebenso groß. Also 56 Pakete. Das könnte erklären, dass Patrik acht abzweigen konnte, ohne dass seine Kumpanen etwas merkten«, meinte Tommy.
»Patrik hat also zwei Kilo geklaut. Per Lindström erhielt somit zwölf Kilo reines Kokain. Das bedeutet, dass er irgendwo Koks für etwas 100 Millionen versteckt«, stellte Fredrik nach kurzem Kopfrechnen fest.
Das waren schwindelnde Summen. Was wiederum die hohe Mortalität unter jenen, die sich mit dem Kokain befasst hatten, erklärte.
Alle sahen auf, als Kommissarin Hellström nachdrücklich in die Hände klatschte und sagte:
»Ich beraume eine Sitzung all jener Mitarbeiter meines Dezernats an, deren Aufgabe in letzter Zeit darin bestand, den Gothia MC zu überwachen. Vielleicht haben sie ja eine Idee, wo das Kokain versteckt sein könnte. Wir werden insbesondere deinen Angaben zu dem Wohnmobil nachgehen. Freitagmorgen ist dann unsere nächste Besprechung.«
»Sollen wir Per Lindström und Jorma Kinnunen zu einem Verhör abholen?«, fragte Fredrik.
Die Kommissarin und die
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