Im Sog der Angst
will dich um einen Gefallen bitte, aber wenn es dir nicht passt, sag es bitte.«
»Worum geht’s?«
»Tim ist gerade gebeten worden, zu Udo Pisano nach Aspen zu fliegen. Morgen ist dort ein Konzert, und dem Burschen bleibt die Stimme weg. Sie wollen Tim am liebsten gestern dort haben und chartern einen Jet für ihn. Ich war noch nie in Aspen und würde gern mit ihm fliegen. Wir reden von einer, vielleicht zwei Nächten. Könntest du auf Spike aufpassen? Du weißt, wie er sich in einem Hundeheim anstellt.«
»Klar«, sagte ich, »falls Spike es hier aushält.«
Vor ein paar Jahren hatte eine kleine französische Bulldogge an einem glühend heißen Sommertag den Sunset Boulevard mit seinem mörderischen Verkehr überquert und es bis in den Glen geschafft. Er kam schnaufend, stolpernd und gefährlich dehydriert auf meinem Grundstück an. Ich gab ihm Wasser, fütterte ihn und suchte nach seinem Besitzer. Es stellte sich heraus, dass er einer alten Frau gehörte, die in einer Villa in Holmby Hills im Sterben lag. Ihre Tochter, die einzige Erbin, war gegen Hunde allergisch.
Er war mit einem unhandlichen Stammbaumnamen belastet worden; ich taufte ihn Spike und machte mich in Hundefutter schlau. Er reagierte auf seine neue Umgebung mit Elan, verliebte sich sofort in Robin und begann mich als Konkurrenten zu betrachten.
Als Robin und ich auseinander gingen, war das Sorgerecht kein Thema. Sie bekam ihn, seine Leine, seine Futternäpfe, die kurzen Härchen, die er über alle Möbel verstreute, sein Schnarchen, sein Schnüffeln, seine arroganten Tischmanieren. Ich bekam zur Belohnung ein hallendes Haus.
Ich zog die Anschaffung eines eigenen Hundes in Erwägung, hatte es aber nie geschafft, dies in die Tat umzusetzen. Ich sah nicht viel von Spike, weil ich nicht viel von Robin sah. Er hatte von dem kleinen Haus in Venice Besitz ergriffen, das sie mit Tim Plachette zusammen bewohnte, und er schien Tim nicht höher zu schätzen als mich.
»Vielen Dank«, sagte Robin, »ich bin sicher, dass er sich wohl fühlt bei dir. Tief im Innern liebt er dich.«
»Das muss äußerst tief sein. Wann willst du ihn vorbeibringen?«
»Das Flugzeug fliegt von Santa Monica ab, sobald wir fertig sind, deshalb dachte ich an jetzt gleich.«
»Komm einfach rüber.«
Spike ist kein normaler Hund.
Sein plattes Gesicht lässt auf genauso viel Frosch-DNS wie auf hündisches Erbgut schließen, seine Ohren sind übergroß, aufrecht, fledermausartig, und sie beugen, drehen und falten sich als Reaktion auf eine Vielzahl von Emotionen. Er nimmt nicht viel mehr Platz ein als Spitz, schafft es aber, in diesem Raummaß knapp zwölf Kilo unterzubringen, zum größten Teil bleischwere Knochen und Muskelspiel, gekleidet in ein schwarz gestreiftes Fell. Sein Hals hat einen Umfang von gut fünfundfünfzig Zentimetern, und sein knubbeliger Kopf ist drei Handspannen breit. Seine riesigen braunen Augen glänzen vor Zuversicht, und er gestattet sich nur wenig Interesse am Leben anderer. Seine Weltanschauung ist simpel: Das Leben ist ein Kabarett, und es dreht sich nur um ihn.
Als ich noch allein mit ihm spazieren ging, ballten sich die Frauen um ihn. »Oh, das ist der schönste hässliche Hund, den ich je gesehen habe!«, war der entscheidende Satz.
An diesem Nachmittag war er so sehr daran interessiert, von Robins Seite zu weichen, wie daran, eine Schüssel voller Flusen zu verdrücken.
Ich hielt ihm einen Kaustreifen hin. Er warf Robin einen trauervollen Blick zu. Sie seufzte und beugte sich zu ihm. »Es wird alles gut, mein Hübscher.«
Der in Klarsichtfolie gehüllte Hackfleischklumpen, den ich in der Brusttasche meines Hemds verborgen hatte, ließ sein Radar aufmerken und zog ihn zu mir, aber sobald er ihn verschlungen hatte, rannte er zurück und versteckte sich hinter Robins Beinen. Großartigen Beinen.
»Sieh dir das an«, sagte sie, »er will mir Schuldgefühle machen.«
»Mutterfreuden.«
Spike rieb seine Nase an ihrer Jeans. Eine enge Jeans über Wildlederstiefeln. Sie trug ein schwarzes Seiden-T-Shirt unter einer bestickten Weste. Ihre rotbraunen Locken fielen herunter, ihr Gesicht wirkte frisch geschrubbt. Diese großen, glänzend braunen Augen. Der klare Schwung ihres Unterkiefers und die schmale, gerade Nase.
Diese Lippen; die zu großen Schneidezähne.
»Ich nehme ihn«, sagte ich, »und du gehst. Er wird Theater machen, und dann wird er sich damit abfinden.«
»Du hast Recht«, erwiderte sie. Sie nahm Spikes Kopf in beide Hände.
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