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Im Sog der Gefahr

Im Sog der Gefahr

Titel: Im Sog der Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Anderson
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stemmte. Dem Funkeln in ihren Augen nach spielte sie mit dem Gedanken, ihn zu Boden zu werfen. Er spielte mit dem Gedanken, es sich gefallen zu lassen.
    »Bitte«, fügte er hinzu.
    »Ich muss einen Mörder fangen, und irgend so ein Schwein hat versucht, mich umzubringen. Ich habe einen Chef, der dafür sorgen will, dass ich meinen ersten Fall als leitende Ermittlerin in den Sand setze. Ich habe keine
Zeit
für einen Spaziergang.«
    Aber sie machte einen widerwilligen ersten Schritt, und er zog sie noch ein Stück weiter. »Manchmal braucht man eine Pause, um die Dinge klarer sehen zu können.«
    Holly beschattete ihre Augen mit einer Hand und funkelte ihn wütend an. »Ich würde klarer sehen, wenn die Leute in diesem gottverdammten Nest mit mir reden würden.«
    Finn presste die Lippen zusammen.
    »Sehen Sie?«
    »Was?«, protestierte er, aber sein Mundwinkel hob sich. Sie lief neben ihm her. »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Alles. Alles Mögliche.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Ihr Bruder. Wie verdient er seinen Lebensunterhalt?«
    Finn ließ seine Hand ein Stück tiefer wandern und schob die Finger zwischen ihre. Er hatte sich entschieden zu helfen. Dann konnte er genauso gut auch die Bonusleistungen in Anspruch nehmen. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Sehen Sie? Da haben Sie’s!« Sie wollte die Hand wegziehen, aber er ließ es nicht zu.
    »Wir haben seit Jahren keinen engen Kontakt.« Die Unterhaltung von vorgestern ließ er unerwähnt. »Seit seiner Verhaftung wollte er mich nicht mehr sehen.« Herrje, was war das für eine Zeit gewesen. Von seinem Peiniger befreit, aber dafür vom einzigen Menschen auf der Welt verstoßen, den er je geliebt hatte. Es war eine prägende Phase für einen Dreizehnjährigen gewesen, Verwirrung und Zorn hatten viel zerstört. So leicht hätte er auf die schiefe Bahn geraten können. »Thom hat mich bei sich aufgenommen. Er fand heraus, dass ich Legastheniker war, und brachte mir Lesen bei.«
    Sie blinzelte. Okay. Er wusste, dass er ihr gerade mehr von sich erzählte, als er beabsichtigt hatte. Aber nichts davon hatte etwas mit dem Verbrechen zu tun, nur damit, warum er diesen beiden Menschen so viel schuldig war. Er wäre tot, wenn Brent nicht gewesen wäre, und wusste nicht einmal, ob es überhaupt jemandem aufgefallen wäre oder jemanden gekümmert hätte. Ohne Thom hätte er in einem Leben voller Verwirrung und Enttäuschung festgehangen. Er konnte nicht sagen, wem von beiden er mehr zu verdanken hatte.
    »Von Thom erfuhr ich, dass Brent nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis als Erstes den alten Schuppen niedergebrannt hat, in dem wir aufgewachsen sind. Danach lebte er ein paar Jahre in einem Wohnwagen, während er dieses Haus baute.«
    »
Ich
könnte mir das Haus nicht leisten.«
    Finn schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht.« Die Ablagerungen des Meeres zogen sich durch den Sand. Knochenbleiche Muscheln, so groß wie Handflächen, manche zerklüftet und zerbrochen, andere makellos und unversehrt.
    »Ich habe ihm geschrieben. Im Laufe der Jahre wahrscheinlich tausend Mal.« Und damals war ihm Schreiben nicht leicht gefallen.
    Holly sagte nichts, aber ihre Finger schlossen sich fester um seine. Ihre Haut fühlte sich an wie Seide, trotz ihres gereizten Auftretens war ihre Hand warm und weich.
    »Er hat jeden einzelnen Brief ungeöffnet zurückgeschickt.« Jedes Mal, wenn er einen abgeschickt hatte, hatte er sich auf den Rückumschlag gefasst gemacht. Jedes Mal, wenn er eintraf, hatte es sein Herz durchbohrt wie eine Harpune. »Irgendwann habe ich es aufgegeben.«
    »Warum wollte er nicht mit Ihnen reden?«
    Finn stieß schnaufend die Luft aus. Es hatte ein Lachen werden sollen. »Ich habe sein Leben zerstört.«
    »Das war nicht Ihre Schuld.«
    »Natürlich war es meine Schuld!« Er ließ ihre Hand los, und sofort wollte er sie wiederhaben. Zu dumm. Er lief schneller, aber sie hielt mit ihm Schritt – obwohl sie gestern so übel zugerichtet worden war. Er wusste verdammt gut, was für ein Gefühl das war. »Wenn der Alte anfing zu saufen, sind wir normalerweise weggelaufen und haben uns versteckt, bis er wieder nüchtern wurde. Dieses eine Mal war ich eingeschlafen, und er hat mich in die Finger gekriegt. Dann habe ich etwas Dummes gesagt, das ihn zum Ausrasten gebracht hat.«
    Er hob ein Stück von den Wellen geschliffenes Treibholz auf, holte aus und schleuderte es weit aufs Meer hinaus. »Ich habe die Anzeichen übersehen, war unvorsichtig, und Brent musste für meinen

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