Im Sog der Sinnlichkeit
an Rochdale oder den Skorpion oder wer immer er sein mochte. „Ich nehme Ihre Einladung gerne an. Ich fühle mich etwas erschöpft und wäre dankbar, wenn Sie mich nach Hause brächten.“
Die junge Frau kam mit der benommenen Betsey zu ihr. „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut“, erklärte sie. „Sie hat nur verschwommene Erinnerungen und macht sich große Sorgen um Sie.“
„Ach, Betsey“, murmelte Melisande und schloss das Kind in die Arme. „Und ich habe dir versprochen, dass dir nichts geschieht.“
„Es ist gottlob vorbei“, sagte die Gemahlin des Skorpions aufmunternd. „Und sie wird sich kaum an etwas erinnern.“ Sie musterte Melisande von Kopf bis Fuß. „Sie sind also die Frau, in die mein Bruder sich verliebt hat. So viel zu seinen ausgeklügelten Plänen.“ Sie nahm Melisande noch genauer in Augenschein. „Sie Ärmste sind ja leichenblass. Wir wollen sie rasch nach Hause bringen, Lucien. Benedick kann nachkommen, wenn er sich um die Aufräumarbeiten gekümmert hat.“
Mirandas Gemahl nickte. „Was soll deiner Meinung nach mit den Satansbrüdern geschehen?“
„Ich würde vorschlagen, wir füllen das Loch mit Erde und lassen sie dort unten elendiglich umkommen“, erklärte Benedick, der sich der kleinen Gruppe genähert hatte. „Aber ich fürchte, das wäre nicht Strafe genug.“ Er wandte sich an Melisande. „Ich muss mit Ihnen sprechen.“
„Nicht jetzt, Neddie“, erklärte Miranda entschieden, nahm Melisande bei der einen Hand und Betsey an die andere und wandte sich zum Gehen. „Das kann warten, bis wir in London sind.“
Ich will ihn nicht sehen, wenn er nach London kommt, dachte Melisande bitter. Sie wollte nie wieder mit ihm sprechen. Sollte er doch in das Erdloch springen und mit den anderen Wüstlingen dort umkommen …
Sie wurde von starken Händen in eine luxuriös ausgestattete Kutsche gehoben, Betsey gleichfalls, und Lady Rochdale folgte ihnen, ein wenig unbeholfen in ihrem Zustand. „Du solltest bleiben und ein Auge auf Benedick haben, mein Lieber“, sagte sie an ihren Gemahl gerichtet. „Sorge dafür, dass er nicht zu lange herumtrödelt. Ich fürchte, Lady Carstairs Geduld ist ziemlich am Ende.“
Der Mann wirkte resigniert. „Gibt es denn ein Pferd für mich?“
„Ich bin sicher, Jacob hat dafür gesorgt. Wir warten auf euch.“
Der Wagen fuhr mit einem Ruck an, Melisande wurde in die Polster gedrückt, Betsey kuschelte sich an sie und schlief augenblicklich wieder ein. Und Benedicks Schwester, die auf der gegenüberliegenden Bank Platz genommen hatte, hielt den Blick auf sie gerichtet. Die Lampen im Wageninnern brannten nicht, nur der fahle Mondschein strich durch den fahrenden Wagen, zeichnete Licht und Schatten auf die Gesichter der Insassen. Melisande war zu erschöpft, um ein Gespräch zu führen.
Die Countess of Rochdale schien jedoch nicht die Absicht zu haben, zu schweigen. „Ich fürchte, mein Bruder hat wieder einmal Mist gebaut.“
„Lady Rochdale“, versuchte Melisande, ihr Einhalt zu gebieten. „Ich habe ein paar sehr anstrengende Tage hinter mir. Man hat mich bewusstlos geschlagen, gefangen gehalten, schändlich missbraucht, und ich habe einen Mann sterben sehen. Vielleicht könnten wir diese Konversation zu einem anderen Zeitpunkt führen.“
„Sie haben nicht den Wunsch, dieses Gespräch jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt zu führen, Melisande. Ich fürchte, ich kann in nächster Zeit niemanden in Ihre Nähe lassen. Also ist es besser, sich alles von der Seele zu reden, solange die Wunden noch frisch sind. Ich bin übrigens Miranda. Das ist einfacher als Lady hin und her, zumal wir bald Schwägerinnen sein werden.“
Das genügte, um Melisande aus ihrer lähmenden Lethargie zu reißen. „Reden Sie keinen Unsinn!“, entgegnete sie scharf. Ihre sonstige Gelassenheit und ihre guten Manieren waren vergessen. „Es ist nichts geschehen, was ihn veranlassen könnte, mich zu heiraten.“
„Welch seltsame Formulierung“, entgegnete Miranda. „Und ich fürchte, Sie irren. Natürlich ist etwas geschehen, was ihn veranlassen könnte, Sie zu heiraten. Er ist in Sie verliebt.“
Melisande zählte in Gedanken bis zehn im vergeblichen Bemühen, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. „Ich muss Sie warnen Lady Rochdale, ich bin sehr nahe daran, einen hysterischen Schreikrampf zu bekommen, möchte aber Betsey nicht noch mehr aufregen.“
„Miranda“, korrigierte Benedicks Schwester sie unbeirrt. „Ich wusste es ja:
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