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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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schmutzig, und das ist nicht gut für die Haut. Da muss ich eh aufpassen, ich mache viel für meine Haut, gebe da auch gerne viel Geld aus für …, ich wäre sicher eine gute Verkäuferin in der Kosmetikbranche.
    Als ich dem Henry letztens erzählt habe, dass ich jetzt auch so leicht dominante Sachen anbieten will, also dass ich mich auch ein bisschen weiter …, ich meine als Domina, das geht nicht so mir nichts, dir nichts, aber die Vorstellung, dass das was wäre für mich, also beruflich, die hatte ich schon eine Weile. Ich hab mich auch schon mit der Feliz getroffen, die hieß früher Beatriz, und die hat mir erstmal so einen Crashkurs gegeben, ich meine so ganz und gar und Lady L. wird das bei mir sicher nicht werden. »Leichte Dominanz« sollte da erstmal in meiner Annonce stehen, werde ich dem Alten bald mal sagen, und dann gucke ich mal, wie das so läuft. »Domina statt Hartz IV« habe ich letztens in ’ner Zeitung gelesen. Da saß ich auch grad in der Bahn. Die hat tatsächlich wie ich sich als freie Gewerbetreibende angemeldet. Massage. Scheint ein Trend zu sein. Wo wir grad am Amt vorbeifahren. Früher waren da die Russen drinnen. Riesige Kasernen. Wenn da die Panzer rauskamen, standen wir auf den Bordsteinen und guckten. Das war schon was. Fuhren die zu Übungen oder Manövern oder sowas. Und ich weiß auch noch, wie es da vorne im alten Straßenbahnhof gebrannt hat. Das muss Anfang der Siebziger gewesen sein. Die ganze Nacht hat es da gebrannt. Und wir haben an den Fenstern gestanden und den Lichtschein des Feuers beobachtet. Das konntest du unglaublich weit sehen. Ich schrecke hoch, und da bin ich schon fast an der Märchenwiese. Nee, doch nicht, doch noch nicht. Der große Quader vom Hotel, das große grauweiße Ding taucht da neben uns auf. Da bin ich wohl tatsächlich kurz vorm Finanzamt weggeduselt. Drüben im Hotel, in der Bar, die war exklusiv, und da durfteste nur mit Westgeld bezahlen, wenn ich mich richtig erinnere, im Hotel hat damals meine Freundin Mia, die ich komischerweise ganz oft Pia genannt hab, die hat da gearbeitet, wenn Messe war. Hat sie gutes Westgeld für gekriegt, oder Dollars manchmal, ich weiß noch, wie sie mir das erzählt hat. Bei ’n paar Gläsern Sekt, die hatte immer richtig gute Marken, Mumm und Söhnlein und sowas, wo ich immer dachte, Mensch, die musses ja dicke haben, und da fängt die an zu erzählen, als wir schon zwei Flaschen weggepichelt hatten, und erst hätt’s mich fast umgehauen, von wegen die biedere PiaMia, denn so wirkte die manchmal, aber faustdick, wie man sich das manchmal auch so denkt. Das hatte ich immer schonmal gehört, dass da die Mädels hin sind, wenn Messe war. Wem das so lag eben. Ich meine, das ist ja auch spannend, und kann man auch nicht vergleichen, wie wir heute arbeiten. Zweimal im Jahr, zwei, drei Abende mal ackern gehen, und richtig ackern war das nämlich nicht, was die Mia mir jedenfalls so erzählt hat. Wäre für mich aber damals überhaupt nicht in Frage gekommen. Na klar denkt man drüber nach undsoweiter, aber in den Achtzigern war das, und ich mit meinem ersten Mann noch glücklich und glücklich, aber damit hatte das nicht immer was zu tun. Die Pia nämlich auch. Soweit ich das in Erinnerung habe. Verheiratet, Kind in der Schule. Einer von beiden war ihr richtiger Name, und den anderen habe ich ihr so aus Jux gegeben, weiß gar nicht, wie das so kam. Gab’s da nicht ’ne Schauspielerin, Pia Cramling? Mia Farrow? Die wollt’s wissen. Ich habe mich dann später immer gefragt, was denn ihr Mann so gewusst haben wird. Ich meine, die ganze Kohle, das ganze schöne Westgeld, das kann sie ja nun nicht alles verstecken oder für sich verramschen. Da gab’s bestimmt auch welche, die haben gehofft, dass sie da den reichen Westprinzen finden, der sie rüberholt. Oder zur nächsten Messe wiederkommt. Und dann wickelt sie ihn so um den Finger. Hin und wieder passiert’s ja, dass man einen richtig gut findet. Hin und wieder. Wie das da gebrannt hat, das werd ich jetzt irgendwie nicht mehr los. Der Gestank noch tagelang. War ja viel Gummi und Kunststoff und Öl. Komisch, dass ich heute drauf komme, dass mir das heute wieder einfällt, dabei fahre ich nun schon seit Jahren an dem alten Straßenbahnhof vorbei. Den sie relativ schnell dann wieder aufgebaut haben.
    Ich darf nicht wieder wegnicken, sonst fahr ich noch bis raus zur Wendeschleife »Bürgerruhe«. Ob’s da die Gaststätte »Bürgerruhe« noch gibt? War ich mit meinem

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