Im Stein
Ersten manchmal essen. Sind wir auch meist mit der Bimmel hin. Vorbei an der Allee der schönen Augen, wo die Wohnwagen standen. Nee, das wäre nun gar nix für mich gewesen. In so ’nem gammeligen Wagen. Jemand sagt, dass der Alte da angefangen hat. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, und die Leute erzählen viel. Ist schon halb acht jetzt. Fast. Um neun fang ich an. Aber ich bin gerne eine Stunde eher da. Trinke Kaffee. Koche erstmal eine Kanne. Fenster auf. Durchlüften. Die Gerüche des letzten Tages, der letzten Nacht. Manchmal treffe ich jemanden auf der Treppe. Ich denke, dass die schon wissen, was da bei uns abgeht. Einige zumindest. Die sagen alle ganz freundlich guten Tag, aber das ist doch eigentlich auch ganz normal. Hab da schon andere Sachen gehört aber. Bin von Anfang an in dem Haus und weiß nicht, wie es woanders so läuft. Der Chef weiß schon, wo er welche Wohnung machen kann. Drüben im Westteil der Stadt gehören ihm ganze Häuser. Hab ich jedenfalls gehört. Am Museum fahren wir vorbei. Sind wir oft mit der Schule gewesen, mit der Klasse, in dem Museum. Völkerkunde. Da haben wir vor den Vitrinen mit den Artefakten gestanden, Töpfe, Scherben, Amulette. Da haben wir einmal in einer Jurte gesessen, so eine Art Zelt war das von den Mongolen. Als wir am Zoo vorbeigefahren sind vorhin, habe ich gedacht, dass ich da gerne mit der Birgit mal auf einen Kaffee gehen würde, aber das wäre zu intim, denn da geht man ja mit seinen Kindern hin oder der Familie. Vielleicht ins altehrwürdige Teehaus im Wildpark. Wenn es das noch gibt. Muss ich meinen Henry mal fragen, ob’s das noch gibt, mein gutes Alterchen. Fehlt bloß noch, dass ich ihn »Vati« nenne. Ist mir ein Gräuel. So hat meine Mutti nämlich meinen Vati immer genannt. »Vati, kommst du mal!« Mensch, ich dusele gleich wieder weg … Aber manchmal liegen so Sachen in der Luft, gibt es so …, will jetzt nicht sagen »Schwingungen«, das fühlt sich so an, als wenn man schonmal an dem Punkt im …, wie soll ich sagen …, also so Déjà-vu-mäßig. Also, ich glaube, ich steig zwei eher aus und laufe ein Stück. Wollte eh noch Kaugummis kaufen. Luft.
II
Zwei Kännchen Kaffee. Zwei Stück Apfelkuchen. Eine Weile haben sie schweigend die Karte studiert.
Sie hätte nie gedacht, dass sie mit der mal auf einen Kaffee. Da war sie immer konsequent. Da warst du immer konsequent. Privat ist privat, und Arbeit bleibt auf Arbeit. Eine richtige Ostpocke. Denkst du und lachst.
Aber nett. Da lacht sie sogar mit, obwohl sie nicht weiß, warum du lachst. So wie das Café hier auch sehr nett ist. Sehr fein. Alte Möbel. Stuckdecken. Kleine runde Tische. Hell getäfelte Wände. Wie ein Kaffeehaus. Wien.
Zwei Gläschen Likör. Sie prosten sich zu. Ohne anzustoßen. Zum Wohl, Susanne. Zum Wohl, Birgit. Es ist schön, dass wir so sitzen und gar nicht viel sagen müssen. Ein Gläschen Kaffee, ein Tässchen Likör. Birne. Ist eher ein Brand. Christbirne? Schon bald wieder Weihnachten? Ja, das trinkt man oft, dort, wo ich herkomme. Pfalz. Nein, nicht Bayern. In Bayern reden sie anders. Du denkst, dass du bald weggehen wirst aus der Stadt. Noch ein kleines Kännchen? Ja, gerne. Kuchen? Ein Stück noch. Aber diesmal Käsekuchen.
Gut, der Kaffee.
Latte macchiato? Nein, lass mal. Zur Wende war ich in Saarbrücken. Saarland, ja. Lafontaine, ja. Hat die den Lafontaine gewählt. Nein, wirklich? Blühende Landschaften, das war ja nun wirklich des Guten zu viel. Ach so. Undankbar, denkt sie. Da denkst du, dass sie eigentlich sehr nett ist. Dem Kohl hast du auch nicht vertraut damals. Dem Lafontaine zwar auch nicht, aber das hatte andere Gründe. Wie sie den damals abstechen wollten. Also diese Irre. Ja, ja, natürlich kann ich mich daran erinnern.
Wie wir hier rumreden, um nicht an die unangenehmen Themen zu kommen. Nein, wirklich schön hier. Ja, in der Stadt auch. Das sehe ich sofort, dass sie höchstens zehn Jahre dabei ist. Was schon viel ist natürlich. Du könntest erzählen, wie du in Essen das erste Mal in einem größeren Laufhaus warst. Aber sie wollen Kaffee trinken und die Welt vergessen. Ein Nachmittag im Spätsommer, Frühherbst. Das Laub ist golden und bunt. Und die Sonne steht früh schon tief am klaren Himmel. Wenig Wolken. Die Menschen wimmeln durch die Straßen. Langsam. Nicht wie im Rausch des Hochsommers oder später zur Weihnachtszeit. Ja, ist schon bald wieder Weihnachten. Ich könnte schwören, dass sie Kinder hat. Ein Kind bestimmt. Du
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