Im Stein
so laut, wie du brüllst, vielleicht hat jemand schon längst die Bullen gerufen, vorhin, als es passiert ist, und laut genug war es ja. Und du erinnerst dich, dass du eine Uhr trägst, du hebst den Arm ein wenig, dass der Ärmel verrutscht, und siehst auf deiner Breitling & Söhne, früher hast du mal eine Rolex gehabt, dass du höchstens zehn Minuten hier liegst, und du wunderst dich nicht, denn du weißt, dass die Zeit …, als würden die Früchte von damals doch noch wirken, anders, als du gedacht hast …, du stürmst in die Bar, Alex und die anderen sind neben dir, keine Zündplättchenpistolen mehr, und ihr schlagt und prügelt, mit Fäusten und Knüppeln, und das Krachen und Splittern und Schreien, Typen, die zur Seite wegspringen und doch erwischt werden, Typen, die sich unter den Tischen ducken und verkriechen und doch erwischt werden, das Großmaul, das die Treppe hoch will und doch erwischt wird, und dann spürst du wieder die Hände des Alten, ganz langsam gleiten sie über deinen Kopf.
Ein Kind ist gestorben, da vorne an der Brücke, vor ein paar Wochen. Du hast es in der Zeitung gelesen. Ruderverein für Kinder, sie sind mit ihren Booten zu nah ans Wehr gekommen, und zwei Boote sind in die Strömung geraten und den kleinen Wasserfall runter, die anderen Kinder aus den beiden Booten konnten sie rausholen. Ein Kind liegt noch im Koma. Der Junge ist erst nach Tagen wieder aufgetaucht. Etliche Kilometer weiter. Die Strömung. Du warst an diesem Tag drüben am Straßenbahnhof gewesen, hast bei den Mädchen nach dem Rechten geschaut. Und hast dich gewundert, was der Hubschrauber da am Fluss will. Er kreiste eine Weile über der Brücke, bevor er gelandet ist. Du hast am Fenster gestanden, die Mädchen hinter dir, und das schrille Quietschen der Straßenbahnen, und dein sechster, siebter, achter Sinn hat dir gesagt, dass dort, wo er landet, der Tod ist. Und jetzt liegst du nicht weit davon … Dein Junge darf nie rudern auf dem Fluss.
Du bist froh, dass er jetzt nicht in der Stadt ist. Du hast ihn auf eine Schule geschickt, außerhalb.
Du siehst die Wolken ziehen. Du spürst, dass es kühl herüberweht vom Fluss. Du siehst die dunklen Türme des alten Stadions. Ein Auto fährt langsam auf der Gegenspur. Es fährt weiter Richtung Ampel, die gelb blinkt.
Du kannst einen Kampf nur gewinnen, indem du ihn vermeidest. Der Bielefelder hat dir das damals gesagt. Aber das ist Unsinn, Bielefelder!, denkst du. Jetzt siehst du, dass es Unsinn ist, Bielefelder. Aber wenn Alex drauf gehört hätte, müsste er nicht in den Stein. Dir ist schwindlig, und du spürst nur noch deinen Kopf und bewegst ihn auf dem Pflaster hin und her. Du hörst Sirenen. Sie kommen, denkst du, endlich kommen sie.
Der Bielefelder wollte damals hier einen großen Laden aufmachen, Anfang der Neunziger, ein Eroscenter, fünfzig Zimmer oder mehr, und später haben’s seine Leute auch gemacht. Du hast dich oft mit ihm getroffen in der Zeit. Du hast mit deinen Leuten damals Einiges überrannt. Nach oben und immer weiter, Thor mit seinem Hammer, du wolltest Geschäfte machen, gute Geschäfte, und dafür hast du investiert. Fäuste und Scheine und noch viel mehr. War ein guter Mann, der Bielefelder. Alte Schule, so wie sie drüben im Westen sagten, damals. Aber er ist in den Krieg gekommen, hier in die Stadt, wo keiner die alte Schule kannte, der Bielefelder, damals.
Dein Freund Schweine-Hans, war er nicht ursprünglich Schlachter oder Fleischer oder sowas gewesen?, hat immer gesagt: »Das Vieh wurde geschlachtet, und jetzt will jeder seine paar Kilo Fleisch!«
Er ist zu dir gekommen, der Bielefelder, weil er wusste, dass er mit deinem Rollkommando verhandeln muss. Hat er dir nicht mächtig imponiert damals? Ein großer Kerl, graue Haare, bester Zwirn, und breite Schultern unter dem besten Zwirn, Davidoff Filter, und ein Bein hat er etwas nachgezogen, aber mit Würde, und ein Stock dazu, mit silbernem Knauf, ein Löwenkopf, der Knauf und der Mann, bestimmt schon sechzig. Er wusste, wie er dich auf seine Seite bringt. Hat dir gute Scheine in Aussicht gestellt, wenn du ihn nicht bei seinen Geschäften störst, und deine Leute könnten die Security, und wenn du jemanden kennst, der seine Mädchen unterbringen will, erste Wahl, wenn du das willst, und sein guter Name, gute Kontakte, und einige Leute mit Geld hinter ihm … Alte Schule, und du hast langsam begriffen, was das heißt.
Und jetzt leckst du dir mit der Zunge über die Lippen, mit
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