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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Rotkäppchen. Und da ist ihm fast das ganze Zeug zu Bruch gegangen, ist ihm fast runtergefallen, und paar Fläschchen konnte er echt nicht halten, so hat er sich erschrocken, weil wir mehr brüllten, als dass wir lachten. Weil dem Mister Wünschelrute der zweite Schwanz nämlich auf der Stirn steif wurde. Wie ein Einhorn sah der aus. Sah wirklich echt aus, also in dem Film, nicht nur wie ein Umschnalldildo aufm Kopf.
    Da war die Steffi noch da, als wir diesen Unsinn auf dem Fernseher über der Bar gesehen haben. Schade, dass sie woanders ist jetzt. Mit ihr habe ich manchmal noch einen Absacker genommen. Einen Campari oder einen Southern Comford oder einen Pernod, um den blöden Sekt wegzukriegen. Und den Gummi. Da nimmt man schon die, die am besten schmecken, oder sich zumindest nicht wie’n großer Gummifinger von ’nem Fingerhandschuh anfühlen.
    Ich glaube, dass sie, also Steffi, Sekt und Schampus und all das Prickelwasser ganz gerne gemocht hat, ganz gerne getrunken hat. Hat mich ja manchmal in den Star-Club eingeladen, der heißt eigentlich anders, aber wir haben ihn immer Star-Club genannt, da haben sich paar von den Mädels manchmal noch getroffen, wenn sie Feierabend hatten oder am Wochenende. Da war auch der Hans manchmal da und der Alte und paar von den Leuten von den Securities oder die auch kleine Clubs oder paar Wohnungen haben. Da war damals richtig Party, auch mit Koks und so, aber ich bin nicht oft mit ihr dahingegangen, ich bleib ganz oft lieber zu Hause oder gehe schwimmen.
    Komm, ich bin scharf auf dich, steck ihn mir rein. Ich drehe den Kopf ein wenig, während er sich auf mich legt, während wir unten am Tresen sitzen, ich drehe den Kopf ein wenig und lächele, so wie ich immer lächele, er wird langsam schwer auf mir, ich sage: Komm Baby, ich reite dich. Ich sehe die Uhr auf dem Nachttisch, zweite Runde noch knapp fünfundzwanzig Minuten, ich höre die Musik dumpf und leise von unten, sehe die roten Jalousien, ob man die Sterne sehen kann, ob die Nacht klar ist, ob es Regen geben wird bis zum Morgen? Wie das wohl ist, in so einer Wohnung zu arbeiten, wie die Steffi jetzt? Ich bin seit zwei Jahren in Hans seinem Club, ich war vorher ein halbes Jahr in W. bei M. Ich habe damals angefangen in diesem kleinen Laufhaus bei J., da warn die Berge ganz in der Nähe, und ich bin manchmal wandern gegangen, jetzt fehlt mir das manchmal, obwohl ich viel schwimme und spazieren gehe auch manchmal, aber die Stadt ist so flach, weit muss man fahren, bis man in die Berge kommt, ja.
    Und dann ist man wohl immer alleine. Ich meine, wenn keine Gäste da sind. Und wie viel Gäste da wohl kommen müssen, damit man bisschen Geld weglegen kann, schon richtig was bei rauskommt, wenn das so hundert Miete kostet am Tag, wenn man eine Wohnung beim Alten mietet, hab ich gehört …, aber o.k., da ist wohl dann alles mit drin, und kann alles in mein eigenes Portemonnaie tun, und die Gäste wären nicht so oft besoffen oder angetrunken …, die Steffi war schon clever, ja, das war sie, und sie wird sich schon was bei gedacht haben, als sie hier raus ist und in ’ne Wohnung rein ist. Hat der Hans nicht gerne gesehen, dass sie wegwollte, weil sie gut mit ihm auskam, mehr als gut, wenn du verstehst, wie das Bett wieder mal knarrt heute, als ich mich immer schneller immer schneller auf ihm bewege, ihn abreite, obwohl, mal bisschen langsam, sind noch zwanzig Minuten, und nicht, dass er dann nochmal will oder kann, wobei ich mir das bald nicht vorstellen kann, weil er ja nun auch keine zwanzig mehr ist, ich mache mir nichts aus …, hörst du! , und eigentlich bin ich doch gerne allein, oft allein, aber wenn ich auf Arbeit noch die meiste Zeit allein wäre … Und da spritzt er. Ich spüre ihn pumpen, spüre seinen Schweiß. Und da beugt er sich zu mir rüber, legt seine Hand kurz auf meine, die neben dem Ascher auf dem Tresen liegt, und dann gibt er einen aus. Hey, Rotkäppchen. Danke.
    Und ich möchte gerne mal wieder am Tag arbeiten. Abends nach Feierabend dann in der Bahn sitzen und mit den anderen Feierabendfahrern nach Hause …, früh schweigen wir, abends reden wir und tuscheln wir, weil wir uns auf zu Hause freuen, die ganze Straßenbahn freut sich auf zu Hause, Feierabend. Und dann könnte ich auch mal abends wieder weggehen, könnte vielleicht mal wieder ins Kino gehen, ein paar Freundinnen besuchen, aber wenn ich so drüber nachdenke, die meisten sind weg aus der Stadt, und die anderen wohnen in meiner

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