Im Stein
ich die letzten Minuten, die mir zugegebenermaßen wie Stunden vorkamen, richtig verfolgt habe.«
»Ich konnte mir einfach nichts anderes vorstellen, wissen Sie, wo ich doch in den meisten Ihrer Objekte gewesen bin.«
»Ich weiß das zu schätzen, mein lieber Ecki, aber ich bin mir nicht immer sicher, ob Sie die Dinge durchschauen, aus Ihnen spricht der Gast, der ewige glühende Gast …«
»Oh ja, der Ecki glüht, hin und wieder zumindest. Aber deswegen freue ich mich ja, dass ich mit Ihnen über die Fakten sprechen kann.«
»Fakten, Ecki. Genau darum geht es. Viel zu wenige unserer Mitbürger wissen um die Fakten. Sie schauen in die Nacht und glauben, den Sumpf zu sehen …«
»Ich? Nein, ich …«
»Nicht Sie, lieber Ecki. Unsere Mitbürger, Ecki.«
»Sie haben einen ungewöhnlichen Schritt gewählt, dass Sie sich hier unserer zugegebenermaßen kleinen Hörergemeinde stellen.«
»Sagen Sie nicht ›stellen‹, mein lieber Ecki. Das klingt nun doch zu sehr nach Pranger. Sie haben Respekt vor unserer Arbeit, das schätze ich an Ihnen. Und damit meine ich die Arbeit der Frauen, ohne die ich nichts wäre, und ich meine das mit dem ›nichts‹ so, wie ich es sage, und meiner Arbeit, der Arbeit meiner Firma.«
»Danke, danke. Und der Pranger liegt mir nun doch sehr fern, Herr …, wie darf ich Sie in unserer kleinen Plauderrunde nennen …, Mister Orpheus?«
»Typisch Ecki!« (LACHEN) »Eckis Edelkirsch.« (LACHEN) »Nun, Sie dürfen. Wie es Ihnen gefällt. Ich weiß natürlich, worauf Sie da anspielen, und genau das meinte ich auch, als ich sagte, dass Sie die Fakten, die Dinge, sicher nicht immer so klar durchschauen …«
»Ich bemühe mich, Mister Orpheus.«
»Die französische Variante wäre Orphée.«
»Wie …?«
»Nein. Vergessen Sie’s. Mein lieber Ecki, Sie haben recht: Wir wollen transparent sein. Transparenz ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Sie haben mich als einen angesehenen Bürger vorgestellt. Tatsächlich liegen die Dinge aber etwas anders. Was weiß die Öffentlichkeit von mir? Ganz sicher weiß sie nicht, dass ich nicht unerhebliche Summen an verschiedene Organisationen spende, auch an die Hurenorganisation Hydra, aber ich will das auch weiterhin nicht an die große Glocke hängen …«
»Wahrscheinlich würden die wohlfeilen Bürger sagen: Er will sein Gewissen beruhigen.«
»Gewissen? Eine Dame hat es vorhin sehr schön ausgedrückt: Wir versuchen, fair zu sein. Und wir sind es. Geben und nehmen. Was die absurde Behauptung betrifft, einige der Frauen in meinen Objekten würden fünfzehn, sechzehn Stunden am Stück arbeiten, kann jeder auf den Sedcards sehen, dass das natürlich nicht so ist. In den meisten Objekten arbeiten mindestens zwei Damen, die ihre Arbeitszeiten, und das sind selten mehr als neun Stunden, miteinander abstimmen. Und spazieren gehen, Pause machen, mal was einkaufen, ich bin Vermieter, Ecki, kein Schließer. Fragen Sie ruhig weiter, Ecki, wenn Sie dahingehend Fragen haben.«
»Meine Lieben, ihr hört ›Eckis Edelkirsch‹, die Sendung für die Freunde und Gäste der Huren. Mir liegen wie immer die Kalauer auf der Zunge, aber hier geht es um ernste Dinge. Also, lieber Mister Orpheus, der Verfasser dieser …, ich sage jetzt mal ›Anklageschriften‹ … spricht beziehungsweise schreibt von Zwangsprostituierten in Ihren Objekten, spricht beziehungsweise schreibt von Zwängen, von Ausbeutung, von Organisationen im Hintergrund, ungarischen Zuhältern, Bündnissen, die Sie, Mister Orpheus, mit den Behörden, sprich den Ämtern und der Polizei, hätten. Schreibt weiterhin von mit Druck erzwungenen Vorgaben, was die Dienstleistungen der Frauen betrifft, er bezieht sich damit auf die ungarischen Sexarbeiterinnen, die ich in meinen letzten Sendungen zugegebenermaßen ironisch und werbewirksam Puszta-Pussies nannte, was aber ganz und gar nicht respektlos klingen sollte, sondern nur der Sicht der hungrigen, aber durchaus respektvollen Sicht der Gäste Rechnung tragen sollte …«
»Ecki, Ecki, Sie verstricken sich. Sie müssen sich nicht rechtfertigen für Ihre Wortwahl. Die ich zugegebenermaßen manchmal auch für recht drastisch halte …«
»Sie sind also ein treuer Hörer meiner kleinen Sendung?«
»So würde ich das jetzt nicht ausdrücken. Aber worüber reden wir? Natürlich kenne ich die Dinge, natürlich versuche ich zu verstehen, wie ticken die Gäste. Am schlimmsten sind doch die, die alles in sich behalten, die ihre Lust
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