Im Strudel der Gefuehle
Dann mußt du mich einfach heiraten. Dann werde ich frei sein.«
»Und was wird aus mir? Was wird aus meiner Freiheit?«
Mit klaren, leuchtenden Augen schaute Jessica zu Wolfe auf. »Auch daran habe ich gedacht. Ich werde nichts von dir verlangen. Du kannst kommen und gehen, wie es dir gefällt. Wenn du eine Jagdgefährtin brauchst, werde ich mit dir kommen. Wenn du lieber allein unterwegs bist, werde ich mich nicht beklagen. Wenn du eine bestimmte Fliege zum Fischen brauchst, werde ich sie für dich festbinden.«
»Jessi...«
Sie redete weiter, ohne Wolfe zu beachten. »Wenn du mit jemandem reden willst, werde ich für dich dasein. Wenn du Ruhe brauchst, werde ich das Zimmer verlassen. Ich werde dafür sorgen, daß dein Haushalt gut geführt ist und nur Essen auf dem Tisch steht, das dir schmeckt. Und nach dem Essen werde ich dir das Brandyglas mit den Händen anwärmen, bis der Duft aus der Kristallschale aufsteigt, und dann gebe ich sie dir und wir sitzen zusammen da und der Sturm kann nicht hereinkommen...«
Stille breitete sich im Zimmer aus wie das Licht einer Kerzenflamme, die vom Wind angefacht wird. Wolfe blieb nichts anderes übrig, als Jessica den Rücken zuzudrehen. Nur so konnte er verhindern, daß er die Geduld verlor und so wütend wurde wie noch nie zuvor in seinem Leben.
»Jessi«, sagte er schließlich mit leiser Stimme. »Das Leben, das du gerade beschrieben hast, ist das eines englischen Lords und seiner Frau. Ich bin kein Lord. Meine Frau wird in Amerika leben. Sie kann nicht erwarten, das Leben einer feinen Dame zu führen.«
»Ich liebe Amerika. Ich kann es kaum erwarten, das hohe Gras und die mächtigen Büffel wiederzusehen. Wie habe ich den weiten Himmel vermißt! Betsy hat mir beigebracht, wie man sich in Amerika benimmt. Wenn sie mir hilft, kann man kaum noch meinen englischen Akzent heraushören. Ich habe mir große Mühe gegeben, eine waschechte Amerikanerin aus mir zu machen.« Jessicas Stimme klang todernst. »Ich habe schon damit gerechnet, daß du nicht willst, daß wir in England leben.«
Wolfe wirbelte herum. »Du hast mir also doch eine Falle gestellt!«
Jessica senkte den Kopf und betrachtete ihre fest verflochtenen Finger. »Nein, Lord Wolfe. Als mir klar wurde, daß Victoria mich unbedingt verheiraten wollte, versuchte ich mir vorzustellen, wie es wäre, ganz und gar einem Mann zu gehören. Und da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, einem anderen als dir zu gehören, mußte ich lernen, was es bedeutet, wenn ich dir gehören will. Wie du siehst, habe ich mir bereits Gedanken darüber gemacht.«
Als Wolfe dazu schwieg, sah sie noch einmal mit leuchtenden, flehenden Augen zu ihm auf. »Ich will Sir Robert nicht enttäuschen. Ich will Lady Victoria nicht belügen. Und ich will dich nicht zur Heirat zwingen.«
»Und doch würdest du keine Sekunde zögern.«
»Nur wenn es sein muß.«
Wolfe stieß einen leisen Fluch aus, doch die Worte verloren sich im langgezogenen Heulen des Sturms. Jessica setzte sich gerade hin, legte die zitternden Hände ineinander und wartete.
Als Wolfe sich endlich rührte, kam die Bewegung so plötzlich, daß Jessica vor Schreck zusammenzuckte. Er ging zur Schlafzimmertür, öffnete sie und schaute direkt in zwei Paar Augen, die ihn voll ängstlicher Erwartung anstarrten. Betsy und der schläfrige Lord Gore waren verschwunden. Während die Stewarts das Schlafzimmer betraten und die Tür hinter sich schlossen, betrachteten sie zuerst Wolfes ausdruckslose Miene und dann Jessicas Ausdruck verzweifelter Entschlossenheit.
»Also?« wollte Robert wissen.
»Lady Jessica ist fest entschlossen zu beschwören, daß ich ihr meinen Willen aufgezwungen habe«, sagte Wolfe mit eisiger Stimme. »Was nicht stimmt.«
Robert wandte sich an Jessica. »Sagt er die Wahrheit.«
»Entweder werde ich Wolfe heiraten«, sagte sie mit leiser Stimme, »oder ich werde überhaupt nicht heiraten.«
»Teufel noch mal«, murmelte Sir Robert. Dann wandte er sich wieder an Wolfe. »Was sollen wir jetzt machen?«
»Was Ihr in solchen Fällen immer gemacht habt: laßt dem kleinen adligen Biest seinen Willen.«
»Ihr werdet sie heiraten?«
»Wenn Ihr es wünscht«, knurrte Wolfe. »Lady Jessica hat allerdings eine Menge romantischer Kleinmädchenfantasien, was das Leben im Westen betrifft.«
»Fantasien würde ich es nicht gerade nennen«, sagte Jessica. »Ich war schon einmal jenseits des Mississippi. Ich weiß genau, was mich erwartet.«
»Das wäre zu schön, um
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