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Im Strudel der Gefuehle

Titel: Im Strudel der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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Er wußte noch genau, wann er es ihr geschenkt hatte. Dieses Kettchen mit dem Medaillon war für ihn zu einem Symbol einer Zeit geworden, die niemals wiederkehren würde; einer Zeit, in der er und das kleine rothaarige Mädchen an seiner Seite unbeschwert ihre Freiheit genießen konnten.
    Schweigend knöpfte Wolfe Jessicas Kleid zu, während er leise vor sich hin fluchte.
    »Na bitte«, sagte er schließlich erleichtert und trat einen Schritt zurück. »Wo sind deine Koffer?«
    »Meine Koffer?« fragte sie geistesabwesend. Am liebsten hätte sie vor Erleichterung laut aufgestöhnt, als sie die schwere Last ihrer Haare nicht mehr über dem Kopf Zusammenhalten mußte.
    »Irgendwo müssen deine Kleider doch sein. Wo sind deine Koffer?«
    »Koffer?«
    »Lady Jessica, wenn ich mir einen Papagei gewünscht hätte, wäre ich zur See gefahren. Wo sind deine verdammten Koffer?«
    »Ich weiß nicht genau«, gab sie zu. »Meine Kammerdiener haben sich um alles gekümmert, nachdem Betsy ausgepackt hat.«
    Wolfe fuhr sich mit der Hand durchs Haar und gab sich redliche Mühe, Jessica in ihrem eisblauen Kleid mit ihrem feuerroten Haar nicht weiter zu beachten.
    »Das hilft uns verdammt noch mal auch nicht weiter.«
    »Es führt uns auch nicht weiter, wenn du mich anschreist,« sagte sie beleidigt.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Wütend marschierte Wolfe aus dem Hotelzimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    Kaum hatte Jessica eine gleichgültige Miene aufgesetzt, um ihre Unzufriedenheit zu verbergen, kam Wolfe auch schon mit einem Koffer auf jeder Schulter zurück. Ihm folgten zwei grobschlächtige Burschen, die kaum älter als vierzehn waren. Jeder von ihnen trug zwei leere Koffer. Die jungen Männer stellten ihre Last ab und betrachteten neugierig die elegant gekleidete Dame, die bis zu den Hüften von einem schimmernden Vorhang aus Haaren umgeben war.
    »Vielen Dank«, sagte Wolfe zu den Burschen, als sie die Koffer abstellten.
    »War uns ein Vergnügen«, sagte der jüngere der beiden. »Wir haben gehört, daß eine echte englische Lady in der Stadt sein soll. Hätte nie gedacht, daß wir sie mit eigenen Augen zu sehen kriegen.«
    »Eigentlich bin ich schottischer Abstammung.«
    Der Junge lächelte verlegen. »Ihr seid so hübsch wie ein kleines Kätzchen, das in einem samtgefütterten Körbchen sitzt. Wenn Ihr die Koffer nicht allein zur Postkutsche tragen wollt, ruft einfach nach uns. Wir helfen immer gerne.«
    Jessica wurde rot, als sie hörte, wie der Junge sie anhimmelte. »Das ist sehr nett von euch.«
    Wolfe knurrte mißtrauisch und warf den Jungen einen Blick zu, der sie dazu brachte, sich schleunigst zu verabschieden. Der Mutigere von beiden drehte sich noch einmal um und tippte sich an die Mütze, bevor er die Tür hinter sich zumachte.
    »Am besten bindest du dir die Haare zusammen«, sagte Wolfe mürrisch. »Sogar in Amerika läßt eine Frau außer ihrer Familie niemanden ihr bis zur Hüfte herabfallendes offenes Haar sehen.«
    Wortlos ging Jessica zum Ankleidetisch hinüber und ergriff eine der Haarbürsten, die Betsy bereitgelegt hatte, bevor sie ging. Aus dem Augenwinkel sah Wolfe zu, wie Jessica anfing, sich das Haar zu bürsten. Dabei stellte er widerwillig fest, daß es ihm gefiel, wenn Jessica sich in seiner Gegenwart so ungezwungen verhielt. Ihr offenes Haar war ein Vertrauensbeweis.
    Nach einigen Minuten wurde ihm klar, daß Jessica mit der Bürste unzufrieden war. Sie nahm den Griff abwechselnd in die eine oder die andere Hand und versuchte so, ihr seidiges, unbändiges Haar in den Griff zu bekommen. Zweimal ließ sie die Bürste dabei fallen. Beim dritten Mal fing Wolfe die Bürste auf, fuhr mit den Fingerspitzen über den Griff aus Elfenbein und sah Jessica neugierig an.
    »Der Griff mag zwar glatt sein, aber so glatt ist er nun auch wieder nicht«, sagte er, als er ihr die Bürste in die Hand drückte.
    »Danke.« Jessica betrachtete das widerspenstige Werkzeug, das zu nichts anderem zu taugen schien, als um ihr Haar aufzuladen, so daß es vor Spannung knisterte und hochstand. »Ich weiß auch nicht, was ich falsch mache. Betsy hatte damit nie Probleme.«
    »Betsy hatte damit nie Probleme...« Wolfes Stimme erstarb.
    »Du hast recht. In diesem Zimmer scheint sich ein Papagei versteckt zu haben«, sagte Jessica, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Mein Gott! Du weißt nicht einmal, wie du dir allein die Haare kämmen sollst!«
    »Selbstverständlich nicht. Das war Betsys Aufgabe, die sie stets

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