Im Strudel der Gefuehle
fragte er.
»Ich weiß nicht mehr genau.«
Der Klang ihrer Stimme fegte durch Wolfe wie ein eisiger Wind. Alle Fröhlichkeit, das unbeschwerte Lachen, der wohlwollende Spott und die Wärme, die in ihrer Stimme mitgeklungen hatten, seitdem sie ihre Liebe zueinander offen bekannt hatten, waren in diesem Moment spurlos verschwunden. Die Tatsache, daß sie nach wie vor unberührt war, lag immer noch wie ein gähnender Abgrund zwischen ihnen, den er niemals durchqueren durfte.
Die Aristokratin und das uneheliche Halbblut.
»Jessi...«, flüsterte Wolfe.
Doch es gab nichts mehr zu sagen. Alles war bereits gesagt. Alles, was ihm jetzt noch zu tun blieb, war, sie in ihre Heimat zurückzubringen und ihr das Leben zurückzugeben, für das sie geschaffen war; eine Heimat und ein Leben, von denen er auf ewig ausgeschlossen bleiben würde.
Schweigend ergriff Wolfe ihre Haarbürste und ging zum Feuer zurück, wo sie immer noch bewegungslos stand. Wortlos begann er, ihr wirres Haar zu bürsten.
»Ich bin nicht mehr so hilflos, daß ich mir nicht allein mein Haar bürsten kann.«
Wolfes Gesicht verzog sich zu einem schmerzhaften Ausdruck, als er hörte, wie leer und leblos ihre Stimme klang. Das gleiche galt für ihren Körper. Wie ein Baum, der vom Sturm entwurzelt wurde, hatte sie alle Lebenskraft verloren. Doch genau wie ein Baum würde auch sie sich wieder erholen, nachdem der Sturm weitergezogen war. Daran bestand für ihn kein Zweifel. Alles, was sie brauchte, war etwas Ruhe und eine vertraute Umgebung mit vertrauten Gesichtern.
»Ich bürste dir gerne das Haar«, versicherte er ihr. »Es fühlt sich gleichzeitig kühl und warm an, und es duftet nach Rosen. Dein Anblick und dein Duft werden mich immer begleiten.«
Jessica antwortete nicht, denn mit jedem Wort hätte sie die Tränen preisgegeben, die ihr in den Augen brannten. Wolfe stand direkt neben ihr, und doch verschwand er mit jedem Atemzug, mit jeder Sekunde, langsam aus ihrem Leben; und seine Bürstenstriche in ihrem Haar flüsterten leise »Lebe wohl«.
Mit geschlossenen Augen und der Geduld einer zum Tode Verurteilten stand Jessica da und ließ sich von dem Mann das Haar bürsten, der ihr alles auf dieser Welt bedeutete. Hätte sie auf der Stelle tot Umfallen können, hätte sie keinen Moment gezögert, doch auch das wäre keine Lösung gewesen. Alles, was sie jetzt noch tun konnte, war seine Berührung willenlos über sich ergehen zu lassen und insgeheim drauf zu hoffen, daß dieser Moment niemals vergehen würde und sie sich niemals von ihm trennen mußte.
Als Jessicas Haar wie eine sanft schimmernde, lockere Wolke um sie herum erstrahlte, legte Wolfe widerstrebend die Haarbürste beiseite. Seine Bewegungen erzeugten eine leichte Brise, in der ihr Haar sanft hin und her zu flattern begann. Bei jeder Bewegung schimmerten die roten Locken wie flüssiges Feuer.
Wolfe stockte der Atem, als Jessicas Bild sich ihm für alle Zeiten so einprägte, wie sie in diesem Moment vor dem Kaminfeuer stand. Er wünschte, er könnte ihre klaren, aquamarinblauen Augen sehen, doch die waren unter ihren halbgeschlossenen Lidern und den dichten Wimpern verborgen. Sie sah aus, als hätte sie nicht einmal mehr die Kraft, ihrem Mann in die Augen zu schauen, nachdem er ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte.
Wolfe trug das Becken mit dem warmen Wasser hinüber zum Kamin. Er wrang einen kleinen, weichen Waschlappen aus, seifte ihn ein und begann, Jessicas Gesicht damit zu waschen. Der Duft eines sommerlichen Rosengartens breitete sich langsam im Zimmer aus.
»Ich bin nicht mehr so hilflos, daß ich mich nicht einmal allein waschen kann«, sagte sie leise. Dabei schaute sie zum Kamin hinüber und vermied es, ihn anzusehen, während er ihr rücksichtsvoll und voller Zärtlichkeit das Herz aus dem Leibe riß.
»Ich weiß. Du bist müde. Du mußt mir schon erlauben, daß ich mich wenigstens jetzt so um dich kümmern darf, wie ich es schon von Anfang an hätte tun sollen.«
Jessicas Augenlider zuckten, als er mit dem Lappen an ihre Wange kam.
»Tut das weh?« flüsterte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Bist du sicher? Diese Striemen sehen ziemlich empfindlich aus. Woher kommen die?«
»Ich weiß nicht mehr«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme.
Wolfes Fingerspitzen strichen behutsam über Jessicas Wangen. Ihr Atem stockte für einen Moment, bevor sie leise stöhnte. Als er die Felldecke bis zu ihrer Taille hinunterzog, gab sie ein ängstliches Wimmern von sich.
»Mach dir
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