Im Strudel der Gefuehle
den Rücken freihältst.«
Renos Gesichtsausdruck verriet seine Anspannung. Er spürte genau, welche inneren Kämpfe Wolfe hinter seinem gelassenen Äußeren mit sich austrug.
»Dir würde ich in den Schlund der Hölle folgen«, antwortete Reno. »Das weißt du genau.«
»Ich reite aber nicht in den Schlund der Hölle. Jedenfalls brauchst du mir nicht ganz so weit zu folgen.« Wolfes Lächeln erstarb auf seinen Lippen.
»England?« fragte Reno.
»Wo Jessi hingehört.«
»Es wird schwierig werden, wenn du in England nach Mustangs jagen willst.«
»Lord Stewart hat sich schon seit Jahren gewünscht, daß ich für ihn arbeite. Jetzt wird er seinen Willen bekommen.«
Reno murmelte etwas auf spanisch vor sich hin, das sich ganz so anhörte, als bestätigte er Wolfe, daß er das Herz eines Ochsen hatte -und dessen Verstand.
»Gracias«, sagte Wolfe ironisch.
Dann herrschte Schweigen. Nur das Geräusch von Renos Arbeitshandschuhen war zu hören, mit denen er gegen seine Handfläche klopfte.
»Wann willst du aufbrechen?« fragte Reno schließlich.
»So bald wie möglich. Jessi ist einfach nicht für das Leben im Westen geschaffen.«
»Ich habe nicht gehört, daß die Kleine sich beschwert hätte. Du
etwa?«
Wolfe schenkte der Frage keine Beachtung. Nach einer Weile erhob sich Reno mit der Trägheit, die schon andere Männer zu der falschen Annahme verleitet hatten, sie hätten es mit jemandem mit langsamen Reflexen zu tun.
»Amigo, ich glaube, du begehst einen schweren Fehler.«
»Nein, alles, was ich tue, ist, für einen alten Fehler zu bezahlen.«
»Und was für ein Fehler sollte das sein?« fragte Jessica, die in der Tür zum Schlafzimmer stand.
»Er hat da so eine komische Idee, daß...«, wollte Reno gerade sagen, als Wolfe ihm einen Blick zuwarf, der den stärksten Mann zum Schweigen gebracht hätte. Mit einem lautlosen Fluch klopfte Reno noch einmal mit den Handschuhen gegen seine Handfläche und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus durch die Hintertür.
Jessica betrachtete Wolfe neugierig.
»Ich habe Reno gesagt, er kann sich eines der Fohlen aussuchen«, sagte Wolfe.
»Das ist gut. Er hat es sich redlich verdient. Ohne ihn hätten wir bestimmt mehr als nur ein Fohlen verloren.«
»Genau das habe ich auch gesagt.«
Als ob Wolfe magisch vom Fenster angezogen wurde, drehte er sich noch einmal um und schaute hinaus. Jessica sah, daß sich tiefe Gefühle in seinen Augen widerspiegelten und dann wieder in ihren geheimnisvollen Schatten verschwanden. Genau das gleiche hatte sie bereits heute morgen beobachtet, als er den Sonnenaufgang betrachtet hatte. Sie kam näher und stellte sich neben ihn. Draußen vor dem
Fenster war nichts zu sehen außer der atemberaubend schönen Landschaft.
»Wolfe? Stimmt etwas nicht?«
Er drehte sich um und betrachtete sie mit seinen melancholischen Augen.
»Wolfe«, flüsterte sie und streckte die Hand nach ihm aus.
»Küß mich, Jessi«, sagte er und beugte sich über sie. »Küß mich, so fest du nur kannst. Nur wenn du mich küßt, kann ich für einen Augenblick vergessen, was uns beiden bevorsteht.«
Mit einem leisen Stöhnen stellte sie sich auf die Zehenspitzen und streckte sich seinen offenen Armen entgegen. Alles, woran er in diesem Moment dachte, war die Leidenschaft, die Jessica allein in den Tiefen seiner Seele zu wecken vermochte.
»Soll das heißen, daß du Jessi dafür verziehen hast, daß sie allein in den Schneesturm hinausgegangen ist?« fragte Willow, die in der Tür stand.
Widerwillig brach Wolfe den Kuß ab und drückte Jessicas scharlachrotes Gesicht an seinen Hals. Trotz der bittersüßen Mischung aus Trauer und Begehren, die sich in ihm ausbreitete, schenkte er Willow ein Lächeln.
»Wir stecken noch in den Verhandlungen«, sagte er.
»Ihre Kapitulation oder deine?« wollte Willow wissen.
»Meine natürlich. Elfen sind zu zerbrechlich. Die überleben es nicht, wenn sie den kürzeren ziehen.«
»Wenn das so ist«, sagte Willow trocken, »werde ich nur schnell Ethans Badewasser einlassen und euch dann wieder euren, äh, Verhandlungen überlassen.«
Während Wolfe Jessica wieder herunterließ, erfüllte sie plötzlich beim Klang seiner Worte eine böse Vorahnung.
Eifert sind zu zerbrechlich. Die überleben es nicht, wenn sie den kürzeren ziehen.
Jessica sagte so lange nichts, bis Willow mit einem Eimer mit heißem
Wasser die Küche wieder verlassen hatte. Als sie sich umdrehte, starrte Wolfe bereits wieder aus dem Fenster. Als
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