Im Strudel der Gefuehle
Möglichkeit, dir ein besseres Leben zu schaffen. Kannst du das nicht einsehen? Kannst du denn nicht...«
Wolfes Daumen versiegelte Jessicas Lippen, so daß ihre eindringlichen Worte ungesagt blieben.
»Das weiß ich alles selbst«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Deshalb habe ich damals England und dich verlassen. Ich kann dich haben oder ich kann den Westen haben. Ich habe mich für dich entschieden, obwohl ich genau weiß, was ich damit in Kauf nehmen muß. England.«
»Aber ich...«
»Es ist vorbei, Jessi«, unterbrach er sie. »Es war im selben Moment vorbei, als du deine Jungfräulichkeit verloren hast.« »Wolfe, so glaube mir doch! Ich wollte nicht, daß es soweit kommt. Nicht auf diese Weise. O Gott, nicht auf diese Weise!«
Sanft löste Wolfe ihre verkrampften Finger aus seinem Hemd. »Ich weiß. Doch all dein Betteln und Flehen kann jetzt auch nichts mehr an den Tatsachen ändern. Du bist nun einmal du. Und ich bin ich. Wir sind Mann und Frau, und unser Zuhause wird England sein.«
Jessica schloß die Augen. Sie hätte sich lieber verprügeln lassen, als sich Wolfes nüchterne Beschreibung ihres gemeinsamen Lebens mit anhören zu müssen.
»Geh jetzt und fang an zu packen«, sagte Wolfe leise. »In der Zeit, die uns noch bleibt, werde ich Caleb helfen.«
Die Küchentür öffnete sich und fiel dann leise hinter Wolfe ins Schloß.
Lange Zeit stand Jessica regungslos da und starrte auf die Tür. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Zu spät hatte sie begriffen, was Wolfe schon immer gewußt hatte: ihre Heirat würde irgendwann einmal einen von ihnen zerstören, wenn nicht sogar beide.
Du mußt einer Annullierung zustimmen. Verdammt noch mal, laß mich endlich gehen!
Ich bin nicht der Richtige für dich. Du bist nicht die Richtige für mich. Wenn wir das Bett miteinander teilen, wäre das der schlimmste Fehler unseres Lebens.
Du bist für das Leben hier draußen in der Wildnis nicht geboren, so wie ich.
Verlieb dich bloß nicht in mich, Jessi. Das würde uns beiden nur schaden.
Es ist vorbei, Jessi. Es war im selben Moment vorbei, als du deine Jungfräulichkeit verloren hast.
Du bist du. Ich bin ich.
Einsamer Baum.
Jessica schlug die Augen auf und legte schützend die Arme um sich, so als wollte sie die eisige Kälte abwehren, die sich unaufhaltsam in ihr
ausbreitete. Mit derselben wilden Entschlossenheit, die sie bereits als Kind an den Tag gelegt hatte, begann sie jetzt nach einem Ausweg aus der Falle zu suchen, die sie Wolfe gestellt hatte.
Als sie endlich eine Lösung gefunden hatte, wusch sie sich die Spuren der Tränen vom Gesicht und machte sich auf die Suche nach Caleb Black.
»Ein Aufschub hilft jetzt auch nicht mehr«, sagte Wolfe. Seit dem Morgengrauen, als Jessica ihn geweckt hatte, führten sie nun schon diese Unterhaltung. »Ob wir heute oder in zehn Tagen abreisen -abreisen werden wir auf jeden Fall.«
»Wie ich bereits sagte, ich werde mit dir nach England gehen, ohne eine Szene zu machen, wenn du noch ein letztes Mal mit mir auf die Jagd nach Mustangs gehst«, beteuerte Jessica. »Und das ist mein voller Ernst.«
Am Ende seiner Geduld angekommen, betrachtete Wolfe sie. Er hatte sie in allen möglichen Stimmungen erlebt - von extremer Angst bis hin zu extremer Leidenschaft -, doch von dieser Seite hatte er sie bisher noch nicht kennengelernt. Sie hatte nichts Elfenhaftes, Niedliches oder Zerbrechliches mehr an sich. Alles, was er sah, war eine Ansammlung von Kräften und Entschlossenheit, die ihn stark an sich selbst erinnerte.
»Ich habe keine Lust, Mustangs jagen zu gehen«, sagte Wolfe vorsichtig.
»Dann tu es für Caleb. Er braucht mehr Pferde, wenn er die Ranch ordentlich führen soll. Das hat er selbst gesagt.«
Wolfe betrachtete Jessica unbehaglich. Er spürte genau den tiefen Kummer in ihr, so wie sie an jenem Morgen gespürt hatte, daß ihm etwas auf der Seele lag. Und doch standen ihr keine Tränen in den Augen, und ihre Stimme klang offen und zuversichtlich.
So kannte er sie nicht. Das beunruhigte ihn.
Er streckte die Hände nach Jessica aus und nahm sie in seine Arme.
»Ich werde dich nicht in die Wildnis mitnehmen«, brummte er mürrisch.
»Ich weiß.«
»Ist das der Grund, warum du es kaum erwarten kannst, mich gehen zu sehen? Bist du meiner bereits überdrüssig?«
Wolfe hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Jessica ihn auch schon küßte. Es war, als rechnete sie fest damit, im nächsten Moment tot umzufallen; als wollte sie ihm vorher noch
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