Im Sturm der Gefuehle
neben dem Sitz hervor. Obwohl er mit der anderen Hand hantierte und seine Aufmerksamkeit geteilt war, hielt er die Pistole unbeirrt auf sie gerichtet, wie sie verzagt registrierte.
Ein Ende des Seils bildete eine große Schlinge, und angesichts der Pistole rührte Sophy sich nicht, als er ihr die Schlinge über Kopf und Schultern warf und sie festzog, sodass die Arme an ihre Seiten gepresst wurden. Damit war jeder Fluchtversuch unmöglich. Auf seine Anweisung hin stand sie auf, worauf sie wie ein Stück Geflügel für den Markt gebunden wurde, von den Schultern bis zu den Fesseln mehrfach eng vom Seil umwickelt.
»Sie werden nicht davonkommen«, sagte sie, als er fertig war. »Mein Mann wird Sie finden und töten.«
»Sicher wird er es versuchen«, erwiderte Henry unbesorgt, als er sie vom Wagen herunterhob und auf den Boden stellte. »Er wird vielleicht auch Erfolg haben, doch ich besitze etwas, das er mehr als sein Leben begehrt... nämlich Sie. Und solange ich Sie habe, wird er gegen mich nicht einen Finger heben. Im Gegenteil, er wird nach meiner Pfeife tanzen.«
Sophy beobachtete mit böser Vorahnung, wie er die Pferde losmachte und an eine leichte, zweirädrige Karriole anschirrte. Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, ihn abzulenken, ihn zu behindern und von seinem Ziel abzubringen, alles, um Zeit zu gewinnen, Zeit, in der Ives durch ein Wunder ihre Bedrängnis entdecken und sie finden würde, ehe es zu spät war. Im Moment befanden sie sich noch nicht allzu weit von London entfernt, sobald er sie aber in die Karriole verladen hatte und mit unbekanntem Ziel losgefahren war, konnte sie die Hoffnung auf Rettung aufgeben.
Nachdem er die Pferde angeschirrt hatte, drehte er sich um und betrachtete sie. »Nun, meine Liebe«, sagte er jovial und augenzwinkernd, »es ist Zeit für die nächste Etappe unserer Fahrt. Wenn ich mich umgezogen habe, fahren wir los.«
Als er sie angrinste, fragte sie sich, was ihr jemals an ihm gefallen hatte. »Leider werden Sie diesen Abschnitt der Reise nicht so komfortabel finden, da der einzige Platz, den ich Ihnen anbieten kann, sich unter dem Sitz befindet. Jede Spur, die ihr Mann vielleicht aufspüren kann, wird hier enden, falls es ihm überhaupt glückt, diesen Ort zu finden.«
»Ich habe die Rubinnadel nicht bei mir«, sagte sie leise.
Henry lachte. »Die verdammte Nadel«, sagte er ohne hörbaren Groll wehmütig und ein wenig belustigt. »Ich wusste, dass sie mir eines Tages noch Arger bereiten würde. Mir war nur nicht klar, wie viel, oder dass dieser Arger unbeholfene Erpressungsversuche vonseiten Ihres Onkels mit sich bringen würde. Vor allem aber hätte ich nie gedacht, dass er so dumm sein könnte, seine Pläne dieser grässlichen Agnes Weatherby zu enthüllen. Was für Schwierigkeiten mir das alles bereitet hat.«
Da sie wenig Sinn darin sah, sich zurückzuhalten, fragte Sophy unverblümt: »Sie haben ihn doch getötet, oder? Und Miss Weatherby auch?«
Henry nickte. »Ja, leider.« Er schrak theatralisch zusammen. »Ein oder zwei schreckliche Momente, das kann ich Ihnen sagen, besonders bei Agnes. Rückblickend sehe ich, dass es vielleicht günstiger gewesen wäre, wenn ich mich eine Weile hätte erpressen lassen, bis ich die Nadel wieder an mich gebracht hätte. Aber Sie wissen ja, dass ich einen hübschen kleinen Plan ausgeheckt hatte. Sie hätten als seine Mörderin angeklagt werden sollen.« Er runzelte die Stirn. »Ihr verdammter Mann hat alles ruiniert.«
Sophy presste die Lippen zusammen. »Und der Einbruch? Das ging doch auch auf Ihr Konto?«
Henry drehte sich um und verschwand aus ihrem Blickfeld, doch sie konnte hören, wie er sich in der Scheune zu schaffen machte. »O ja«, sagte er in gedämpftem Ton. »Bis Grimshaw es mir gestern sagte, wusste ich nicht sicher, ob Sie die Nadel haben. Aber nach Edwards Erpressungsversuch erschien es mir als sehr wahrscheinlich. Jahrelang hatte ich mich gefragt, ob die Nadel wirklich endgültig verloren war, doch ich hatte immer vermutet, falls jemand sie gefunden hatte, müssen Sie es gewesen sein. Leider beging ich den Irrtum zu glauben, dass über die Sache Gras wachsen würde. Sehr unbedacht von mir. Und Edward, natürlich ... Nun, während Edward jede Menge Unsinn redete, gab er doch zu, dass er die Nadel nicht bei sich hätte, sie sich aber jederzeit verschaffen könnte. Er erwähnte töricherweise auch, dass er vor kurzem ein interessantes Gespräch mit Ihnen geführt hätte. Dabei kam er sich
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