Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Gärten und dem mit Mosaiken ausgekleideten Schwimmbad, so groß wie eine Tennishalle.
    Millionen – verdient mit dem Rausch. Mit Menschen, die sich selbst zerstören – mit dem Gift, das man ihnen verkauft hat … Gab es noch einen Weg zurück? Konnte eine Evita Lagarto in Santa Magdalena leben? Vorsichtig beugte sie sich über Dr. Högli und küßte ihn auf die geschlossenen Augen. Seine Lider zuckten im Schlaf. Aber sie fand keine Antwort auf ihre Fragen.
    Drei Tage lang lag eine trügerische Ruhe über dem Talkessel von Santa Magdalena. Jack Paddy blieb in seiner vor Fruchtbarkeit strotzenden Burg, seine Springbrunnen plätscherten bei Tag und Nacht, bewacht von sechs schwer bewaffneten Capatazos {1} . Jeden Morgen schwamm er in seinem riesigen Pool, wippte auf dem Sprungbrett, drehte Schrauben und Saltos in der Luft und demonstrierte nicht nur seine Macht und seine Schwelgerei in Wasser, sondern auch seine körperliche Konstitution: ein aus den Nähten platzender Muskelprotz.
    Draußen vor der Mauer hockten die Indios in der gnadenlosen Sonne und starrten zu ihm hinüber. Sie sahen die Wasserfontänen, sie hörten das Rauschen, und jeder Tropfen, der dort vergeudet wurde, hätte für sie und ihre Familien blankes Leben bedeutet.
    Ein paarmal erschien Paddy auf der Mauerkrone, triefnaß und schallend lachend, schleuderte die Wassertropfen in den gelben Sand und schrie: »Ich lade euch ein! Ihr könnt, wie das Vieh, aus meinem Pool soviel Wasser saufen wie ihr wollt. Das ganze Dorf! Ich verspreche euch, eine Leitung nach Santa Magdalena zu bauen. Aber nichts im Leben ist umsonst. Auch ihr müßt dafür zahlen. Mein Angebot: Wasser gegen Pater Felix und Dr. Högli! Jagt die beiden weg – und ihr könnt euch in meinem Wasser aufquellen lassen wie Klöße!«
    Die Indios rührten sich nicht. Wie zusammengesunkene Stoffpuppen hockten sie an der Mauer, die großen Sombreros über die Gesichter gezogen. Klöße – was ist das? dachten sie. Sie kannten nur Tortilla de Huevo a la Española oder Guiso de Guadalajara, und das gab es auch nur an hohen Feiertagen. Sonst aßen sie einfache Mehlfladen, knochige, wie das Land um sie herum vertrocknete Hühner oder einen Gemüsebrei aus harten Strauchbohnen und gequetschten Süßkartoffeln.
    Den Pater verjagen? Den Doktor aus dem Dorf treiben? Wirft man Gott hinaus, tritt man den einzigen, der Krankheiten heilen kann, in den Hintern? Was wäre Santa Magdalena ohne Pater und Doktor? Jetzt lebte man im Vorhof der Hölle – ohne sie wäre man verurteilt, in ihrer hintersten und heißesten Ecke zu schmoren.
    Und doch saß Paddys Ansprache wie Stachel in den Herzen. Am Abend kamen die Indios zusammen, hockten vor dem Haus des von ihnen gewählten Bürgermeisters und beredeten ihr grausames Schicksal.
    Konnte Gott Wasser geben? Er gewiß – aber der Pater? Floß aus den Instrumenten des Doktors ein einziger Tropfen, der den qualvollen Durst linderte?
    Heilige Mutter Gottes – was sollte man tun?
    Pater Felix spürte diesen Umschwung der Stimmung. In seiner Kirche blieben immer mehr Plätze leer, es kamen nur noch die Weiber, die Männer standen vor den Hütten und nahmen nur die Hüte ab, wenn die kleine Glocke bimmelte.
    »Paddy wird für die Leute hier so etwas wie der Satan in der Wüste, der Jesus versuchte«, sagte er zu Dr. Högli. Er war zum Hospital hinübergefahren, um einem Sterbenden den letzten Beistand zu geben. »Wir müssen etwas unternehmen, Doktor! Weder Gottes Wort noch Ihre Pillen sind stärker als der große Durst. Ich kenne die Indios zu gut, um noch länger zu warten, ob endlich der Regen fällt. Haben Sie die Monatsprognose des Wetteramtes in Mexico City gehört?«
    »Ich habe.« Dr. Högli stand im kleinen OP und versorgte einen Indio, der einen Riesenkarbunkel auf dem Rücken trug. Nachdem jede konservative Behandlung mit Zugsalben und Antibiotika vergeblich gewesen war, hatte man sich entschließen müssen, das Geschwür aus dem Rückenmuskel herauszuschälen.
    Die Operation war gerade beendet, als Pater Felix erschien. Juan-Christo und Matri Habete hatten Dr. Högli assistiert. In der Ecke des kleinen, stickig-warmen OPs, gegen dessen verbrauchte Luft der Ventilator an der Decke vergebens ankämpfte, stand Evita Lagarto und wusch die Instrumente aus. Sie hatte einen weißen Kittel an, die Haare waren hochgebunden und zu einem Knoten verschlungen. Ihr schmales ›altspanisches‹ Gesicht bekam dadurch einen herben Zug und einen eigentümlichen

Weitere Kostenlose Bücher