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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Müdigkeit und Alkohol in seinem Körper war entschieden. Sieger war die Müdigkeit.
    »Pater Felix hat den einzigen Weg gezeigt: Stürmt Paddys Hacienda! Holt euch das Wasser!« sagte Evita laut. Sie rüttelte Högli, sein Kopf pendelte hin und her, als säße er auf einem dünnen Gummihals. »Riccardo, der einzige, der das jetzt noch kann, bist du! Du mußt die Indios zusammenrufen und mit ihnen zu Paddys Hacienda ziehen!«
    »Das kann man.« Högli sank zur Seite und legte sich neben Pater Felix auf das schmale Bett. »Stürmen! Und dann? Paddy wird schießen, rücksichtslos schießen. Für seine Capatazos sind die Indios doch nur streunende Hunde. Ich soll zehn oder zwanzig oder vielleicht vierzig Menschen in den Tod treiben, mit vollem Wissen, soll über diese Leichen das Wasser erobern, nur, um damit auch mein Leben zu retten? Evita, das ist unmöglich.«
    »Dann werden nicht vierzig Männer sterben, sondern das ganze Dorf!«
    »Vorausgesetzt, ich bin zu feige und nehme Paddys Alternative nicht an. Er bietet dem Dorf ein Meer voll Wasser, wenn …«
    Sie drückte ihm die Hand auf den Mund und erstickte die weiteren Worte.
    »Sprich es nicht aus!« rief sie. »Das wirst du nie, nie tun! Das werde ich nie zulassen.«
    Sie wird es nie zulassen, dachte Högli. Schöne Evita, wer wird dich fragen? In fünf oder sechs Tagen werden die Indios soweit sein, daß sie wie Raubtiere über uns herfallen und nachher unsere Körper Paddy vor das Hacienda-Tor legen. Wasser, werden sie brüllen. Nun gib uns Wasser, Patron! Hier sind sie … der Padre und der Padre Doktor. Dein Wille geschehe, Herr, auch wenn du der Satan bist. Wasser! Unsere Frauen, unsere Kinder … wie vertrocknetes Holz liegen sie herum. Patron, laß das Wasser fließen, laß Santa Magdalena weiterleben. Hier hast du deine beiden Feinde …
    Muß es dazu kommen? Ist es nicht einfacher, hinzugehen zu Paddy und zu sagen: »Bedienen Sie sich, Sir. Rufen Sie Ihre Kreatur Tenabo. In ein paar Sekunden sind Sie alle Sorgen los, und die Indios ebenfalls.«
    Aber dazu gehört Mut, Richard Högli, ein fast unwirklicher Mut. Hast du den? Kannst du dich jemals dazu zwingen? Bringst du es fertig, dich zum Abschlachten hinzustellen?
    Er dachte noch weiter. Aber alles, was sich jetzt in seinem Hirn in sich überstürzenden, verzerrten Bildern spiegelte, war bereits ein Traum. Er schlief fest, und Evitas letzte Worte »Du wirst nicht hingehen, und wenn ich dich festbinden müßte!« hörte er nicht mehr.
    Kurz danach wachte Pater Felix auf. Er spuckte sich fast die Seele aus dem Leib, trank zwischendurch Evitas heißen Kaffee, erbrach wieder, trank weiter, erbrach erneut, und so ging es weiter, bis die große Kanne leer war. Danach lag er sehr schwach, aber hellwach neben dem nach Kakteenschnaps stinkenden Dr. Högli und hielt Evitas zitternde Hände fest.
    »Jetzt bin ich wieder da«, sagte er stockend. Das Sprechen machte noch große Mühe. Er hob den Kopf, sah an seinem nackten Körper hinunter und lächelte verzerrt über den grünen Schimmer, der noch immer über ihm lag. »Sie müssen schon entschuldigen, Evita – ein nackter Priester ist sicher kein alltäglicher Anblick …«
    »Er will sich opfern«, stammelte sie. »Padre, begreifen Sie das? Er will sich opfern. Für Santa Magdalena – für seine Indios – für das Wasser … Wir müssen ihn anbinden und einschließen, bevor er aufwacht.«
    »Was will er?« Pater Felix hob mühsam den Kopf und sah Dr. Högli kurz an. »Der Kerl ist ja besoffen!«
    »Er will zu Paddy gehen und sich gegen Wasser eintauschen!«
    »Er bleibt ein humaner Idiot!« Felix ließ sich zurücksinken auf das harte Graskissen. »Und so einer sagt zu mir: Die Feuerländer sagen: Verbrenn dir nicht …« Mit einem Ruck richtete er sich auf. Evita zuckte zusammen. »Was will er?« sagte Pater Felix laut. Jetzt erst erreichte ihn der Sinn der Worte.
    »Zu Paddy gehen?«
    »Ja.«
    »Recht hat er.«
    »Pater!« schrie Evita auf.
    »Wir alle gehen zu ihm! Viele hundert Indios mit Frauen und Kindern. Viele hundert durstige Berglöwen! Die Frauen und Kinder zuerst, in der vordersten Reihe! Ich werde es morgen von der Kanzel verkünden. Und ich will den Capatazo sehen, der auf ein Kind schießt, das man ihm entgegenhält!«
    Draußen vor dem Hospital hockten noch immer die Indios. Die indianische Krankenschwester verteilte neues abgekochtes Wasser, noch warm, nicht einmal durch den Filter gelaufen, eine braune, aber bakterienfreie, sandige Brühe.

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