Im Tal der bittersüßen Träume
daß ein winziger Garten in einer Art Innenhof die steinerne, kahle Trostlosigkeit unterbrach. »Ich soll Sie direkt zur Kirche bringen?«
»Ich bitte darum.«
»Sie wollen einfach in die Kirche gehen und den Pater niederknallen? Wissen Sie, was die Indios innerhalb zehn Minuten aus Ihnen machen? Ich werde Ihr Brüllen bis zu meiner Hacienda hören. Beim Töten eines Menschen können Indianer eine geradezu geniale Phantasie entwickeln.«
»Ich will mit Pater Felix sprechen«, sagte Pierre Porelle ruhig.
»Wozu? Der geweihte Mann ist erst dann ein verträglicher Mann, wenn er unter der Erde liegt. Das aber sollen die Indios selbst besorgen; der große Durst wird sie dazu treiben! Nur noch zwei oder drei Wochen, dann haben wir sie soweit. Tommy soll warten! Er muß warten!«
»Aber er will nicht warten, das ist entscheidend. Paddy, Sie hatten noch nicht das Vergnügen, Rick Haverston kennenzulernen. Aber er wird nach Santa Magdalena kommen, sofern nicht innerhalb einer Woche alle Probleme ausgeräumt sind.«
»Ohne Mord ist das unmöglich, PP!«
»Sie sagen es, Paddy.« Porelle zeigte nach unten in den Talkessel. »Bringen Sie mich zur Kirche.«
»Sie sind ein merkwürdiger Mensch, Porelle.« Paddy fuhr weiter, sie passierten die dritte Wache. »Wer spricht sein eigenes Todesurteil schon so gelassen aus!«
Das Dorf regte sich kaum. Ein paar alte Weiber hockten im Schatten, die struppigen, gefleckten kleinen Hunde kläfften das Auto an, einige Kinder starrten auf Paddy und Porelle mit tellergroßen Augen in verschrumpelten, ausgetrockneten Gesichtern. Bis zur Kirche sahen sie nur drei Indios; grußlos, trotz der Hitze in ihre Ponchos gehüllt, gingen sie an dem Auto vorbei. Ihre Blicke waren seltsam starr.
Mescal buttons … Ein getrocknetes Scheibchen der Peyotl-Kaktee. Die Halluzination einer schöneren Welt …
Pierre Porelle stieg vor der Kirche aus dem Wagen. »Warten Sie hier, Jack?« fragte er.
»Nein!« sagte Paddy. »Ich möchte überleben.«
»Es geschieht nichts.«
»Da kennen Sie den Pater nicht! Bei dem geschieht immer was.«
»Wie komme ich zu Ihrer Hacienda?«
»Vielleicht bringt Pater Felix Sie zu mir. Dazu müßten Sie ihn allerdings leben lassen.«
»Ich heiße nicht Haverston«, sagte Porelle pikiert. »Es gibt immer Argumente.« Er nahm seinen weißen Strohhut vom Sitz und setzte ihn auf. Er sah aus, als käme er aus einem Pariser Modejournal.
Paddy gab Gas, hüllte Porelle in eine Staubwolke, fuhr zurück zur Kreuzung und bog in den Weg zu seiner Hacienda ein.
Die Kirche war, wie immer, geöffnet. Die Doppeltür war an den Seitenwänden eingehakt; zu Gott durfte jeder zu jeder Tageszeit kommen.
Pierre Porelle nahm seinen schönen Hut wieder ab. In einem streng katholischen Elternhaus erzogen, das über sechs Generationen die Meßdiener stellte und wo seit zwei Jahrhunderten die Väter bei den Prozessionen den Himmel trugen, tupfte er die Fingerspitzen in das Weihwasserbecken und bekreuzigte sich. Dann ging er den Mittelgang hinunter, den Blick starr auf den holzgeschnitzten Christus und die bunt bemalten, schauerlich kitschigen Gipsheiligen gerichtet. Auf halbem Weg zum Altar blieb er stehen. Eine Stimme hielt ihn fest: »Wohin, mein Sohn?«
Porelle wandte den Kopf. Hinter dem Harmonium stand Pater Felix. In weißer Soutane, den breiten mexikanischen Revolvergürtel umgeschnallt, wie Paddy ihn geschildert hatte. Die Waffe allerdings war außerhalb des Halfters; sie lag in seiner Hand.
Das aber war es nicht, was Porelle so überwältigte. Es war das schwach glänzende Grün der Gesichtshaut, es waren die lackierten gelben Haare. Was da stand, war fast ein Fabelwesen. Von der Ölfarbenaffäre hatte Paddy kein Wort erzählt.
»Feiern Sie verspäteten Karneval, Pater?« fragte Porelle. »Begrüßen Sie Ihre Gläubigen immer mit dem Revolver in der Hand?«
»Was wollen Sie hier?« fragte Pater Felix zurück.
»Nehmen wir an, ich möchte beten. Das kann man doch bei Ihnen, nicht wahr?«
»Paddy hat Sie mitgebracht. Das ist keine Empfehlung.«
»Ich wollte Sie kennenlernen, Pater. Jetzt kenne ich Sie.« Porelle lehnte sich an eine der Kirchenbänke. In der Rocktasche trug er eine durchgeladene Pistole, aber es war unmöglich, jetzt an sie heranzukommen. »Als Priester sind Sie sicherlich die absonderlichsten Beichten gewöhnt. Ich will Ihnen auch etwas anvertrauen: Ihr Kampf gegen Paddy und alles, was Ihnen mißfällt, ist verloren.«
»Danke, mein Sohn.«
»Nennen Sie mich
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