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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tag und Nacht eine Wache von sechs Mann, um einen neuen Überfall durch Paddys Leute zu verhindern. »Noch einmal scheißen sie mir den Brunnen nicht voll!« hatte Dr. Högli grimmig gesagt. »Und wenn, dann knallen wir ihnen noch zusätzliche Löcher in den Arsch!«
    Es war das erstemal, daß Pater Felix den Doktor so kraftvoll reden gehört hatte.
    »Wann haben Sie Zeit, Pater?« fragte Evita. Felix Moscia schwang sich aus seinem klapprigen Jeep. Daß der überhaupt noch fuhr, war wohl auch ein Wunder Gottes.
    »Zeit?« Felix lachte. »Ich kann mit den Stunden jonglieren!« Er hakte sich bei Evita unter. Sie hatte sich in diesen Tagen verändert. Mit der Schminke und den modischen Kleidern war auch das ›Püppchenhafte‹ von ihr abgefallen. Sie trug einen weißen Krankenpflegerkittel und hatte die schwarzen Haare mit einem roten Band hochgebunden. »Wozu brauchen Sie Zeit?«
    »Ich möchte Riccardo heiraten, Pater.«
    »Sehr löblich. Aber will der Doktor auch?«
    »Wir haben lange darüber gesprochen. Er sieht in mir ein Luxusgeschöpf und nicht die Frau eines Armenarztes. Wie soll ich ihm das anders austreiben als damit, daß ich ihn heirate?«
    »Ihre Millionen verschwinden dadurch nicht, Evita.«
    »Sie gehören nicht mir, sondern meinem Vater.«
    »Sie sind die einzige Tochter. Die Alleinerbin!«
    »Soll ich darunter leiden, daß ich zufällig genug Geld habe? Ich liebe Riccardo.«
    »Ich weiß.«
    »Wann trauen Sie uns?« Sie hielt Pater Felix davon zurück, die Ambulanz zu betreten. Dr. Högli war von Juan-Christo an einen Tisch gerufen worden, auf dem eine Frau lag. Sie hatte Blutungen, und ihr Mann jammerte, es sei alles verflucht: Kein Wasser – und jetzt gebe die Frau auch noch die letzte Flüssigkeit ab …
    »Wenn ihr euch einig seid – am nächsten Sonntag.«
    »Riccardo hat Ihnen gesagt, daß er evangelisch ist?«
    »Das ist nur ein anderes Wort für Gottes Liebe.«
    »Er hat Ihnen etwas verschwiegen, Pater. Riccardo ist seit zehn Jahren aus der Kirche ausgetreten. Es hatte einen Grund: Er konnte einfach nicht mehr glauben, was ihm von der Kanzel herunter erzählt wurde.«
    Pater Felix ging langsam weiter. Er war sehr ernst geworden. »Er war wenigstens so ehrlich, die Konsequenzen zu ziehen.«
    »Wir können also heiraten?« fragte Evita. Ihr schmales, aristokratisches Gesicht leuchtete vor Freude. Sie kann glücklich sein, während wir alle elend verrecken, dachte Felix ergriffen. Welch ein Wunder – vielleicht das letzte für den Menschen – ist doch die Liebe!
    »Sie können.« Pater Felix betrat die Ambulanz. Dr. Högli blickte auf. Er hob die Gummihandschuhe, sie waren voller Blut. Die Frau lag wimmernd auf dem Tisch, ihr Mann sprach auf sie ein, in einer fremdartigen indianischen Sprache. Nebenan behandelte Juan-Christo einen Furunkel, auf der anderen Seite verteilte Matri Vitamin-Tabletten.
    »Neuigkeiten?« fragte Dr. Högli. Er tamponierte die Frau und wartete auf die beiden Krankenträger. Die Frau mußte stationär behandelt werden. »Wann entschließen Sie sich eigentlich, Ihre schrecklichen gelben Lackhaare abzuweichen?«
    »Vorläufig nicht. Das ist mein Helm! Ich schnalle ihn erst ab, wenn es regnet oder wir auf andere Weise Wasser bekommen.«
    »Bis dahin hat es sich rausgewachsen.« Die Träger kamen, man lud die wimmernde Frau auf die Trage und brachte sie zur Bettenstation. Die Indios waren jetzt alle versorgt, nur noch vier Frauen zogen an dem Wasserkessel vorbei und bekamen ihre halbe Tasse. »Was hört man von Paddy? Bei mir ist alles still.«
    »Um so fröhlicher wird's bei mir. Ich hatte vorhin Besuch. Ein Herr kam in die Kirche, bespritzte sich mit Weihwasser und bat um meinen Segen.«
    »Ein frommer Mensch.«
    »Das will ich meinen.« Pater Felix lachte etwas rauh und vermied es, Evita anzusehen. »Es war mein Mörder.«
    Gegen zehn Uhr abends klingelte das Telefon.
    Dr. Högli, Evita und Pater Felix saßen am offenen Fenster und tranken Tee. Man konnte jetzt abends wieder in der etwas kühleren Luft sitzen, die Mücken und Fliegen waren längst vertrocknet. Tiefe Dunkelheit lag über Santa Magdalena. Der Mondschein war noch nicht in den Felsenkessel gedrungen; es war die Zeit, die Högli ›die Stunde der Selbstanklage‹ nannte, denn jeder halbwegs Vernünftige mußte sich in dieser Stunde sagen, daß nur ein Idiot es noch hier aushalten konnte. Wenn dann der Mond in den Kessel schien, versilberte er auch die Verzweiflung, und sie erstarrte.
    »Was ist denn das?«

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