Im Tal der bittersüßen Träume
wieder üben, dann zieh deine Soutane wieder an, tritt unter sie, tanz mit ihnen, iß mit ihnen, trink mit ihnen das eroberte Wasser, segne die Verwundeten, begrabe die Toten, tröste die Hinterbliebenen und frage Gott nicht, ob alles richtig war. Für dich war es richtig, denn du lebst, und deine Indios leben.« Pater Felix legte die Maschinenpistole Dr. Högli über die Knie. Der zuckte bei der Berührung zusammen, als sei ein Schuß losgegangen. »Hat man Ihnen gesagt, daß gestern neun Indios – vier Frauen, zwei Greise und drei Kinder – gestorben sind? Verdurstet!«
»Nein.« Dr. Högli senkte den Kopf. Pater Felix beugte sich vor.
»Noch eine Frage, Riccardo? Wegen der Eheschließung?«
»Keine Frage, Felix«, sagte Högli gepreßt. »Können wir morgen heiraten?«
»Es wird ein Fest werden.« Pater Felix faltete die Hände über dem breiten Patronengurt. »Eine Doppelhochzeit. Juan-Christo und Matri haben sich entschlossen, es ihrem Doktor gleichzutun.«
»Um Gottes willen!« Dr. Högli fuhr hoch, im letzten Moment konnte er noch die MPi festhalten. »Wenn das Paddy erfährt!«
»Lassen Sie Gott in Frieden, Riccardo! Und Paddy? Den habe ich zur Hochzeit eingeladen.«
Dr. Högli atmete tief auf, dann warf er Felix die Maschinenpistole zu. »Wer Sie zum Priester geweiht hat«, sagte er, »muß blind, stumm und taub gewesen sein!«
Jack Paddy lief in seinem großen Haus herum mit jener merkwürdigen, motorischen Unruhe, die in einem Menschen erwacht, wenn er spürt, daß sich etwas Bedrohliches nähert. Paddy konnte sich diesen Zustand genau erklären und ihn doch nicht überwinden. Eiskalt bereitete Rick Haverston die Liquidierung von Pater Felix und Dr. Högli vor. Er erklärte Paddy den Aufsatz für die Gewehrgranaten, erläuterte die neuen Modelle, deren Explosionskraft und Splitterwirkung dreimal so stark sei wie die der alten aus dem letzten Krieg, und im Park, an einer Blütenhecke, demonstrierte er, wie er sich die Beschießung des Hospitals dachte.
»Stellen wir uns vor, dort der Busch sei das Hospital«, sagte Haverston mit seiner widerlich leiernden Stimme. »Es wird von den Indios bewacht. Sollen wir Steine hinlegen, für jeden Indio einen, um die Situation noch anschaulicher zu machen?«
Es zeigte sich immer wieder, daß Mörder sehr unterschiedliche Naturen sein können, auch wenn ihr Ziel das gleiche ist. Was Paddy an Haverston so mißfiel, ja, was ihm geradezu körperlichen Schmerz verursachte, war das Routinierte seines Mordens. Hinzu kam, daß Rick keine Veranlassung sah, Paddy selbst zu schonen. Er ließ ganz klar erkennen, daß er von der ›Organisation‹ gemietet worden war mit dem Auftrag, so lange in Santa Magdalena zu bleiben, bis alle überzeugt waren, daß Meskalin eine Art Gemeinbesitz war und Jack Paddy lediglich der Verantwortliche für den Anbau. Mit anderen Worten: Auch Paddy lebte nur in einer Gnadenfrist. Wie lang sie war, bestimmte die ›Organisation‹. Der freie Patron Paddy war längst tot.
So war er nur erleichtert, als plötzlich das Telefon klingelte. Haverston blickte hoch. Er saß auf der mit Holzsäulen verzierten Veranda und beobachtete einige Indios, die ständig draußen vor dem Palisadenzaun herumlungerten und die Hacienda nicht aus den Augen ließen. Sie hatten auch eine Art Meldedienst eingerichtet: Auf klapprigen, struppigen Maultieren, denen das Gerippe durchs Fell stach, ritten sie hinunter zum Dorf und brachten die Ablösung mit. Seit Stunden überlegte Haverston angestrengt, wie man diese Wache umgehen konnte. Die Angst, die er mit Mendoza Femolas Tod hatte erzeugen wollen, war kaum mehr wirksam. Diese verdurstenden Menschen, die ihre Qual mit Mescal buttons betäubten und dann mit starren, glänzenden Augen, am Rande einer halluzinierten Welt in der prallen Sonne hockten, hatten nichts mehr zu verlieren. Sie mit Waffen zu erschrecken, war vergeudete Munition.
Paddy blickte auf das rappelnde Telefon und zögerte. Haverston schlug die Beine übereinander und wedelte mit seiner schlanken Hand. »Nun gehen Sie doch endlich ran, Jack!«
»Und wenn es Nonoava ist? Das Polizeirevier?«
»Haben Sie plötzlich das Lügen verlernt?«
Paddy hob ab. Es war Nonoava. Ein Sergeant Herrero meldete sich; im Hintergrund hörte Paddy die keifende Stimme der Señora Femola, die Herrero anscheinend vorsagte, was er fragen sollte.
»Ich möchte den Chef sprechen!« sagte der Sergeant. »Dringend, Señor Paddy.«
»Señor Femola bei mir? Sie müssen sich
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