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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beobachtete aufmerksam, was draußen vor dem Tor stattfand.
    »Haben Sie das gehört, Rick?« sagte Paddy. »Lagarto vermißt seine Tochter. Sie kommen in einen Handlungszwang, wenn Sie das alles auf Ihre Art in Ordnung bringen wollen.«
    Haverston winkte ab. »Kommen Sie mal her«, sagte er. »Ihre Indios spielen verrückt. Sie bauen einen Wagen vor dem Tor auf! Haben Sie eine Erklärung dafür?«
    Paddy trat auf die Terrasse. Die Indios hatten den Karren bis vor das Tor geschoben. Jetzt rissen sie die Plane weg, und die Capatazos, die bisher gebrüllt hatten, wurden plötzlich still. Auf den roh gehobelten Brettern des Karrenbodens lagen, übereinandergeschichtet, einige Leichen. Schweigend hoben die Indios sie herunter und legten sie in einem Halbkreis vor den Eingang, vier Frauen, zwei alte Männer, drei kleine Kinder … Die Füße zur Hacienda, die Köpfe nach Santa Magdalena.
    Die Toten waren nackt, ihre ausgedörrten, wie mit Leder überzogenen Körper waren gelbgrau wie der Staub, in den sie abgelegt wurden.
    »Die Tore zu!« brüllte Paddy über den Platz. »Jagt sie davon! Nehmt die Peitschen! Weg mit den Toten!«
    Die Capatazos schlossen zwar sofort das große Holztor, aber keiner stürmte hinaus, hieb in die um die Leichen stehenden Indios oder trug die vertrockneten Körper weg. Paddy wischte sich den blanken Schweiß vom Gesicht und lehnte sich an eine der Säulen, die das Vordach der Terrasse trugen.
    »Die ersten Verdursteten. Täglich werden es mehr werden. Mein Plan war richtig!« sagte er schwer atmend. »Noch vier, fünf Tage, und ich erreiche mit meinem Wasser mehr als Sie mit zehn Kanonen!«
    Später standen sie auf einem der kleinen Wachttürme und blickten über die Palisade. Haverston hatte sein Präzisionsgewehr mitgenommen – im Gegensatz zu Paddy kümmerte er sich mehr um die Lebenden als um die Toten. Ein Toter war für ihn nicht mehr interessant.
    Die Indios hatten sich hinter ihren Toten aufgestellt. Mann neben Mann, eine Mauer stummer Anklage. Aus dem Tal klapperte ein uralter Jeep, eine dichte Staubwolke flatterte immer näher.
    »Das ist doch nicht möglich!« sagte Paddy und hieb mit der Faust auf die Brüstung. »Der Kerl muß total wahnsinnig sein!«
    »Wer?« fragte Haverston.
    »Das sehen Sie gleich.«
    Der Jeep hielt. Aus der Staubwolke tauchte eine lange, dürre Gestalt auf, in einer weißen Soutane, über die ein breiter Patronengurt geschnallt war. Das Haupt war unbedeckt, grell reflektierte die Sonne in den gelblackierten Haaren.
    »Das darf doch nicht wahr sein!« sagte nun auch Haverston. Er legte den Sicherungsflügel des Gewehres herum und hob es halbhoch vor die Brust.
    »Der Heilige von Santa Magdalena!« Paddy schielte zu Haverston. »Nicht alle scheißen sich in die Hosen, wenn von Ihnen die Rede ist, Rick!«
    Pater Felix folgten zwei Meßdiener, kleine Indiojungen, die den Weihwassersprenger und den Weihrauchkessel trugen. Ein dritter Indio trug das schmale, lange Totenkreuz vor sich her. Die silberne Christusfigur blitzte in der Sonne.
    »Er begräbt sie vor meiner Haustür!« schrie Paddy auf. »Sehen Sie sich das an!«
    Pater Felix machte es kurz. Er sprach ein Gebet, segnete die verdorrten Toten und griff dann nach dem Weihwassersprenger. In diesem Augenblick riß Haverston das Gewehr hoch, zielte und drückte ab. Aber auch einem Spezialisten wie ihm konnte ein Fehler unterlaufen. Er hatte richtig gezielt, genau auf den gelblackierten Kopf, aber in dem Bruchteil einer Sekunden, in dem er abdrückte, drehte sich Pater Felix zur Seite und hob die Hand. Der Schuß zerschmetterte den blitzenden Weihwassersprenger, Felix' Arm wurde nach hinten gerissen, er drehte sich um sich selbst wie ein Kreisel, aber dann stand er wieder und streckte die Hand aus nach dem Kreuz.
    Haverston kam zu keinem zweiten Schuß. Sofort hatte sich eine lebende Mauer vor Pater Felix gebildet, er sah nur Indios, Ponchos, breite Hüte, und davor die sechs Toten, der Sonne, die sie getötet hatte, nun auch zum Begräbnis übergeben.
    »Nun zeigen Sie mal, was Sie können, Sie Schwätzer!« sagte Paddy heiser. »Wollen Sie vielleicht alle Indios wegradieren?«
    Aus der Masse löste sich ein Mann, trat an das Tor und legte dort einen Brief nieder. Einer der Capatazos, die hinter den Palisaden durch eine Art Schießschlitz das Schauspiel beobachteten, schlüpfte heraus, nahm den Brief und brachte ihn zu Paddy in den Wachtturm.
    Es waren nur ein paar Zeilen, aber sie genügten, um Paddy völlig

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