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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verzerrte.
    »Haben Sie eigentlich keine Angst, irgendwann einmal in eine Falle zu laufen?«
    »Nein. Ich höre eine Wanze, wenn sie unter der losen Tapete kriecht.« Haverston schüttelte den Kopf. »Jack, versuchen Sie nie, mich zu überraschen. Ich habe Nerven, die wie Radar reagieren.«
    Sie zuckten beide zusammen, als das Telefon wieder schrillte, und unterbrachen ihre unergiebige Auseinandersetzung. Paddy steckte die Hände tief in die Taschen seiner Reithosen.
    »Jetzt gehen Sie dran, Rick!« sagte er. »Nonoava kann es nicht mehr sein, einen anderen Anruf erwarte ich nicht. Ich habe überall die Nachricht verbreiten lassen, daß ich für einen Monat in Europa bin! Geschäftlich ist es also nicht. Es wird Ihr Boß sein. Beichten Sie ihm, Haverston. Es wird mir ein Genuß sein, Ihnen zuzuhören.«
    Haverston hob den Hörer ab. »Ja? Mr. Paddy? Einen Augenblick.« Er hielt den Hörer weg. »Doch für Sie! Haben Sie einen vergessen?«
    Paddy knurrte und drückte den Hörer ans Ohr. »Hier Paddy.« Dann schob er die dicke Unterlippe vor und setzte sich in den nächsten Sessel. »Ich begrüße Sie, Mr. Lagarto«, sagte er genußvoll. Haverston machte ihm ein schnelles Handzeichen, aber Paddy beachtete es nicht und blickte provozierend an die Decke.
    »Ich möchte meine Tochter sprechen«, sagte Miguel Lagarto.
    Er saß in seinem palastähnlichen Haus in El Paso in einem vollklimatisierten, riesigen Bibliothekszimmer mit Blick auf den blühenden Park und einen riesenhaften Swimming-pool aus rosa Marmor. Er hatte die Form eines großen Herzens – eine Liebeserklärung an seine einzige Tochter.
    »Ihre Tochter? Wieso?« fragte Paddy zurück.
    »Ich höre weder von Ihnen noch von Evita etwas! Was ist mit meinem Brief, Mr. Paddy?« Lagartos Stimme klang gepflegt. Er sprach reines Oxfordenglisch mit der Grazie des stolzen Spaniers. »Ich muß disponieren können.«
    »Ich habe keinen Brief von Ihnen, Sir«, antwortete Paddy ehrlich. Einmal die Wahrheit sagen zu können, tat ihm ausgesprochen gut. »Was für einen Brief?«
    »Meine Tochter war unterwegs, Ihnen einen Brief und einen Scheck zu bringen.«
    »Ihre Tochter hat mir keines von beiden übergeben. Ich bin erstaunt, Sir.«
    »Das ist vollkommen unmöglich!« Lagartos Stimme wurde unsicher. »Seit drei Wochen ist Evita unterwegs. Von Santa Magdalena aus wollte sie weiter nach Acapulco.«
    »Da wird sie auch sein«, lachte Paddy fröhlich.
    »Da ist sie nicht. Evita ist nie in Acapulco eingetroffen! Mr. Paddy, ich mache mir große Sorgen. Ich kenne meine Tochter, wie kaum ein Vater seine Tochter kennt. Sie ist gründlich, ehrlich und zuverlässig.«
    Das stimmt, dachte Paddy und lehnte sich weit zurück. Sie hat diese Eigenschaften bis zur Selbstvernichtung demonstriert. Mein lieber Lagarto, Ihr Vaterherz wird ab jetzt mit einem unlösbaren Rätsel belastet sein. Eine schöne, tapfere Tochter fährt von El Paso weg nach Mexiko und kommt nirgendwo an. Das ist die eine Version. Die andere wäre riskanter, aber das ganze Leben in Santa Magdalena ist ja ein Risiko.
    »Ich kann nur wiederholen, Mr. Lagarto«, sagte Paddy eindringlich, »daß mir kein Brief übergeben wurde.«
    »Und meine Tochter ist nicht bei Ihnen?«
    »Nein – bei mir ist sie nicht.«
    Miguel Lagarto schwieg. Die merkwürdige Betonung dieses letzten Satzes war ihm aufgefallen, und das sollte sie auch.
    Haverston war aufgestanden, stand am Geländer der Veranda und starrte auf das offene Eingangstor der Hacienda. Dort hatten sich jetzt eine Menge Indios versammelt. In ihrer Mitte schwankte ein Eselkarren, mit Planen zugedeckt. Die Capatazos, die am Tor Wache hielten, brüllten ihnen zu, aber die Indios, als seien sie taubstumm, kümmerten sich nicht um die Rufe, sondern bildeten unmittelbar am Eingang einen Kreis um den Planwagen.
    »Mr. Paddy«, sagte Lagarto betont langsam. »Ist Evita bei Ihnen in Santa Magdalena angekommen?«
    »Bei mir nicht. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen also Ihre schöne Tochter nicht an den Apparat rufen. Mr. Lagarto, es soll Töchter geben, die trotz bester Erziehung und großer Vaterliebe vom geraden Weg hüpfen, wenn hormonale Ausschüttungen zu Fehlleistungen anregen. Es tut mir leid …«
    »Ich danke Ihnen, Mr. Paddy«, sagte Miguel Lagarto steif. »Was in dem nicht überreichten Brief stand, werde ich zur gegebenen Zeit wiederholen.«
    »Das hoffe ich. So long, Mr. Lagarto.«
    Paddy legte auf. Der Schuß saß. Er schielte zu Haverston, aber der

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