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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geld schnell weg. »Aber heraus wird er nicht kommen, ehe der Seuchenalarm abgeblasen ist.«
    Miller erbleichte. Sein Schweinchengesicht zuckte. »Das – das können Sie nicht machen!« stotterte er. »Mr. Lagarto ist ein weltbekannter Geschäftsmann!«
    »Auch weltbekannte Geschäftsmänner unterliegen der Cholera-Quarantäne! Die Präfektur in Chihuahua wird es Ihnen bestätigen.«
    »Wir werden die amerikanische Botschaft einschalten!« protestierte Miller.
    »Bitte! Wenn Ihre Botschaft die Cholera wegblasen kann!«
    »Das ist absurd! Wer bestimmt überhaupt, wann die Quarantäne aufgehoben wird? Wenn keiner wagt, ins Tal zu fahren – wer stellt dann fest, ob alles in Ordnung ist?«
    »Dr. Högli.« Der Sergeant grinste. »Wenn er sagt: Alles okay, machen wir die Straße wieder auf. Eher nicht! Señor Miller, Sie werden viel Langeweile haben. Ich empfehle Ihnen El Angel.«
    »Was ist El Angel?« fragte Miller unschuldig.
    »Ein Puff in der Wüste.« Der Sergeant grinste und schnippte mit den Fingern. »Aber tolle Mädchen, Señor! Sie sollten sich das nicht entgehen lassen …«
    Miguel Lagarto fuhr bis zur Poststation von Nonoava und ließ sich dort von einer Telefonzelle aus mit Paddy verbinden. Es dauerte lange, bis er an den Apparat kam; er hatte draußen unter der Markise gesessen und wütend auf den Gesang gelauscht, der aus der Ferne vom Dorf herauf hallte. Das Felsental mit den kahlen Steinwänden wirkte wie ein riesiger Trichter; alle Laute wurden weitergetragen und zerflatterten dann in der Ebene von Paddys blühender Hacienda.
    »Ich bin hier in Nonoava, Mr. Paddy«, sagte Lagarto.
    »Dann bleiben Sie auch da!« knurrte Paddy zurück. »Ich kann Sie hier nicht gebrauchen.«
    »Irrtum! Ich habe einen Jeep der Polizei entwendet und bin schon auf dem Weg zu Ihnen.«
    »Lassen Sie das bleiben, Mr. Lagarto!« Paddys Stimme wurde heftig. »Sie kommen hier in eine Hölle!«
    »Damit wollen Sie mich abschrecken, Paddy? Sie und ich – wir beide haben uns die Hölle längst in mühevoller Arbeit verdient.«
    »Reden Sie kein Blech, Lagarto! Hier ist man in den letzten Tagen sehr allergisch gegen Fremde aus den USA geworden. Es kann sein, daß Sie Santa Magdalena gar nicht zu sehen bekommen, sondern den nächsten Baum – aus einer sehr krummen Perspektive! Vor allem heute … Mr. Lagarto, bleiben Sie in Nonoava!«
    »Das geht nicht. Ich habe den Jeep gestohlen und muß weg! Bis nachher, Paddy! Wie lange fährt man bis zu Ihnen?«
    »Sie Narr!« brüllte Paddy. »Rechnen Sie sich aus, wie lang der Weg in die Ewigkeit ist!«
    »Danke. Das schaffe ich spielend bis Sonnenuntergang.«
    »Hol' Sie der Teufel!«
    Paddy legte auf. Lagarto sah sinnend den Hörer an, ehe er ihn auf die Gabel warf. Was war mit Paddy los? Was hieß: Man ist hier allergisch gegen Fremde aus den USA? Hatte das etwas mit Evita zu tun? Kein Wort von Cholera, nur das dumme, theatralische ›Sie kommen in eine Hölle‹. Was war mit Evita in diesem Tal geschehen?
    In seiner Brust saß ein heißer Schmerz, der sich langsam über den ganzen Körper ausbreitete.
    Evita! Was verschwieg Paddy? Gab es am Ende gar keine Cholera in Santa Magdalena? Hatte man die Felsenstraße gesperrt, weil sich dort ein blutiges Drama abgespielt hatte, das alle, die von ihm wußten, mit Schweigen zudecken und unter Lügen begraben wollten? Riegelte man alles ab, um die Öffentlichkeit nicht zu entsetzen? War Polizeichef Femola gar nicht verschwunden? Hielt er etwa heimlich in Santa Magdalena ein Strafgericht auf altmexikanische Art: Blut kann nur abgewaschen werden mit Blut …!
    Evita! Mein Engel! Was haben sie mit dir gemacht …
    Miguel Lagarto vergaß, daß er über sechzig Jahre alt war. Wie ein langmähniger Halbwüchsiger raste er über die Straße nach Santa Magdalena, überholte Eseltreiber, scheuchte sie, immerfort hupend, zur Seite, drückte einen uralten klapprigen Ford fast in den Graben – es war Dr. Juan Pomfoz, der Arzt von Nonoava, der von einer Entbindung kam – und erreichte die Einfahrt in die kahlen, leergebrannten Felsen, vor der das erste Warnschild stand: Für alle gesperrt! Achtung! Lebensgefahr! Seuchengebiet!
    Von da ab war Lagarto allein. Kein Esel, kein Wagen, kein Lebewesen mehr. Er fuhr in ein totes Land. Und je weiter er raste, über das Steuer gebeugt, mit vom Staub geröteten, tränenden Augen, um so mehr wuchs in ihm die wie ein Feuer lodernde Angst, daß Evita in dieses Tal gekommen und auf noch unbekannte Art vernichtet worden

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