Im Tal der bittersüßen Träume
ihnen sagte, wurde von der Musik erdrückt. Vier Indiomädchen stellten sich vor ihnen auf, kleine, erbärmliche, vom Durst zerstörte, früh vergreiste Gestalten; sie begannen, aus geflochtenen Strohkörben Blütenblätter auf den Weg zur Kirchentür zu streuen. Auch diese Blüten waren aus Paddys Park gestohlen; es waren viel mehr gewesen, eine große Wanne voll, aber die Hälfte hatten die Kinder aufgegessen. Feuchtigkeit! Madonna, verzeihe uns … aber die Blüten sind vollgesogen von Wasser, täglich mit Rasensprengern berieselte, köstliche fette Blüten, die auf der Zunge zerplatzen und einen duftenden Saft über die ledernen Gaumen träufeln. So etwas soll man in den Staub streuen, sollen die Füße zertreten? Madonna, sind vier Körbchen nicht genug für dieses Fest?
In der Tür stand Jorge Cuelva in seiner prächtigen Uniform. Neben ihm, gehalten von zwei Capatazos, wartete Emanuel Lopez. Da er seinen durchschossenen Hintern nicht mit einer engen Hose bekleiden konnte, hatte er sich einen weiten, bunten Weiberrock angezogen. Niemand lachte darüber. Wenn man ihn ansah, dachte man nur an den armen Mendoza Femola und unterdrücke einen Anflug von Reue über Rick Haverstons grausame Behandlung. Selbst Pater Felix war in Konflikt gekommen, als zehn Indios am frühen Morgen bei ihm im Pfarrhaus erschienen waren und ihm gebeichtet hatten, Haverston auf gute alte indianische Art beseitigt zu haben. »Ihr Mörder!« hatte er gebrüllt. »Der Himmel wird sich euch verschließen! Für so etwas gibt es keine Absolution! Nur Gott selbst kann euch jetzt noch lossprechen!« Aber hinterher, nach einigen Gebeten, hatte er seine Soutane ausgezogen, sich in Shorts und einem offenen, schmutzigen Hemd unter die Indios gesetzt, hatte seine Haare abrasieren lassen und mit ihnen eine Sonderration Wasser getrunken. Ein Liter für elf Menschen … Es blieb für jeden ein kräftiger Schluck.
Vor der Kirchentür blieb Dr. Högli stehen. Pater Felix zog vor ihnen her den Mittelgang hinunter zum Altar, erfolgt von den Meßdienern, denen das Gewand um die dürren Körper schlotterten. Ihnen hinterher trippelten die Indiomädchen mit den jetzt leeren Blumenkörbchen. In den Bänken stauten sich Indios und Capatazos, das Harmonium dröhnte, der Kirchenchor holte Atem und setzte zu einem neuen Lied an.
»Ich bin glücklich«, sagte Evita leise. Sie schlug den Gardinenschleier zurück und hakte sich bei Dr. Högli ein. Ihr schmales Gesicht war von einer porzellanhaften Schönheit, die Högli den Atem verschlug. Sie lächelte ihn an, ihre großen schwarzen Augen streichelten ihn. »Was auch kommt, Riccardo – ich werde immer glücklich sein, solange es dich gibt.«
Er nickte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Was auch kommt … Wir alle wissen, was da auf uns zukommt. Übermorgen vielleicht schon, oder in drei Tagen, spätestens in fünf Tagen. Diesen Durst kann keiner mehr länger aushalten! Der große Sieger wird Jack Paddy heißen, und der Himmel hilft ihm dabei! Es wird immer schwerer, an Gott zu glauben.
Pater Felix hatte den Altar erreicht und drehte sich um. Zwischen ihm und Dr. Högli lag die Länge des Kirchenschiffes. Die Meßdiener standen zu seinen Seiten, die kleinen Blumenmädchen drängten sich in die vordere Bank. Der kahle, leere Gang war plötzlich bedrückend und feindlich.
Pater Felix hob die rechte Hand und winkte. »Kommt näher!«
»Wir müssen gehen, Riccardo«, flüsterte Evita. Ihr Arm preßte sich an seine Seite. »Bist du nicht glücklich?«
»Ich liebe dich«, sagte er mit rauher Stimme. »Es ist eine Liebe, für die es keine Worte gibt. Aber wenn ich an morgen denke … Evita, es ist wie der Gottesdienst vor einer Hinrichtung. Siehst du die Menschen in den Bänken? Sie knien und haben die Hände gefaltet. Mit diesen Händen werden sie uns in einigen Tagen töten!«
»Ich weiß es, Riccardo. Warum reden wir immer darüber?«
Am Altar winkte Pater Felix noch einmal.
»Ich habe dich in dieses schreckliche Ende hineingezogen!«
»Das ist nicht wahr.« Sie warf den Kopf in den Nacken. Der Schleier, um den großen geschnitzten Kamm gelegt, wehte um ihre Schultern und traf sein Gesicht wie ein Backenstreich. Hinter sich hörte er stoßweises Atmen. Dort standen Matri und Juan-Christo und wagten nicht zu flüstern, vor Freude und Ergriffenheit.
»Du hast alles getan, um mich wegzuschicken, und ich bin trotzdem geblieben«, sagte Evita. »Ich werde immer bei dir sein – und wenn ›immer‹ nur noch ›bis
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