Im Tal der Giganten
bemerkte er entsetzt, daß das Ungeheuer
langsamer geworden war
- und aus seinen kleinen,
bösartig funkelnden Augen direkt zu ihnen heraufsah. Und
dann änderte es jäh seinen Kurs und rannte genau auf ihn
zu!
Mike schrie erneut auf, raffte all seine verbliebenen
Kräfte zusammen und rannte so schnell wie niemals zuvor
im Leben. Der Waldrand kam rasch näher, aber ein
weiterer Blick zurück zeigte ihm, daß auch der Saurier
aufholte, und das mit entsetzlicher Schnelligkeit. Als das
Ungeheuer aus dem Wald aufgetaucht war, hatten
zwischen ihm und Mike vielleicht hundert Meter gelegen.
Jetzt betrug die Distanz allerhöchstens noch zehn, dann
fünf - und dann hatte Mike den schützenden Nebel erreicht
und war mit einem Satz zwischen den Bäumen. Das
versteinerte Unterholz zersplitterte unter seinen Schritten,
als er rücksichtslos hindurchbrach, aber er wurde nicht
langsamer. Hinter ihm begann sich ein ungeheurer
Schatten im Nebel abzuzeichnen, und er konnte deutlich
spüren, wie der Boden unter den stampfenden Schritten
des Giganten erzitterte. Hinter ihm erklang ein
unvorstellbar lautes, unvorstellbar zorniges Brüllen, ein
Laut, wie Mike ihn niemals zuvor im Leben gehört hatte
und den er niemals wieder vergessen sollte, und er konnte
hören, wie die versteinerten Bäume unter dem Ansturm
des Kolosses zersplitterten wie Zahnstocher unter den
Tritten eines Riesen. Ein Schatten tauchte vor Mike auf,
lautlos und schnell wie ein Gespenst, schien mit hundert
dürren Händen zugleich nach ihm zu greifen und zerrte an
seiner Jacke. Mike wich dem Baum im letzten Moment
aus, duckte sich unter einem tiefhängenden Ast hindurch,
an dem er sich beinahe selbst aufgespießt hätte, und sah
wieder zu dem Ungeheuer zurück. Es war im Nebel nur
als riesiger, verzerrter Schatten zu erkennen, aber es kam
noch immer näher. Die Bäume behinderten sein
Vorwärtskommen nicht im mindesten. Es rannte sie
einfach nieder.
Das konnte Mike nicht. Er prallte wuchtig gegen einen
Baum, stolperte einen Schritt zurück und fiel halb bewußtlos auf den Rücken. Für eine Sekunde wurde es
dunkel rings um ihn herum. Er konnte nichts mehr sehen,
und alles, was er hörte, war das Rauschen seines eigenen
Blutes in den Ohren.
Als er die Augen wieder öffnete, ragte ein gigantischer,
krallenbewehrter Fuß direkt vor ihm in die Höhe. Der
Anblick war einfach zu entsetzlich, um Angst in ihm
aufkommen zu lassen. Langsam drehte er den Kopf und
ließ seinen Blick an dem Fuß und dem dazugehörigen,
unvorstellbar großen Bein emporwandern, weiter den mit
kleinen, grün und braun glänzenden Schuppen besetzten
Leib empor und schließlich bis zu dem aufgerissenen
Maul und den faustgroßen funkelnden Augen. Das
Ungeheuer stand breitbeinig über ihm, wie ein Jäger, der
sich über das Wild beugt und sich noch einen Moment an
seinem Anblick erfreut, ehe er es endgültig erlegt, seine
Krallen gierig ausgestreckt. Von den Zähnen, die wie
kleine, gebogene Dolche in seinem Maul blitzten, troff
Geifer. Der Saurier breitete die Vorderläufe aus, beugte
sich vor und riß brüllend das Maul auf, und im gleichen
Moment flog ein schwarzer Schatten aus dem Wald
heraus, landet auf seiner Schnauze und begann fauchend
und geifernd und mit allen Krallen gleichzeitig auf ihn
einzuschlagen. Brüllend richtete sich der Koloß wieder auf
und schüttelte den Kopf, und obwohl die Bewegung eher
beiläufig wirkte, war sie doch von solcher Kraft, daß
Astaroth einfach davongeschleudert wurde und meterweit
durch die Luft flog, ehe ein Busch seinen Sturz beendete.
Sofort war er wieder auf den Füßen, raste zurück und
sprang auf Mikes Brust. Seine Fänge waren gebleckt. Ein
tiefes, drohendes Knurren drang aus seiner Brust. Der
Saurier senkte erneut den Schädel, riß ein zweites Mal das
Maul auf - und zögerte.
Astaroth schlug mit den Klauen nach ihm. Seine Krallen
vermochten die gepanzerte Haut des Giganten nicht
einmal anzukratzen, und vermutlich spürte er die
Berührung nicht einmal. Trotzdem packten die riesigen
Fänge nicht zu. Der Saurier stand einfach da und starrte
Mike und den Kater an. Das Maul war noch immer
geöffnet, die furchtbaren Klauen zum Zupacken bereit
ausgestreckt - aber er griff nicht an. Seine riesigen Augen
fixierten das fauchende Fellbündel auf Mikes Brust, und
dann konnte Mike regelrecht sehen, wie etwas Neues im
Blick dieser gigantischen Reptilienaugen erschien, ein
Ausdruck von... Verwirrung? Unsicherheit?
Und das Wunder geschah. Ganz langsam,
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