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Im Tal der Giganten

Im Tal der Giganten

Titel: Im Tal der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch einmal
demonstrativ mit spitzen Fingern über die Kratzer und
Schrammen zu fahren, die sein Gesicht verunzierten. Das
Ergebnis fiel allerdings nicht unbedingt so aus, wie er
gehofft hatte. Anstelle von Mitleid erntete er nur eine
Reihe spöttischer Blicke, so daß er schließlich aufgab und
Trautman folgte.
Während der folgenden halben Stunde suchten sie die
nähere Umgebung gründlich ab, aber ganz wie Mike
insgeheim schon befürchtet hatte, war das einzige, was
einem sicheren Platz auch nur nahe kam, eine gewaltige
Astgabel acht oder neun Meter über dem Erdboden.
Gottlob war der Baum leicht zu ersteigen, was Mike aber
nicht sonderlich beruhigte
- wenn sie leicht dort
hinaufkamen, dann galt das auch für alle anderen Bewohner dieses Waldes. Aber es war das Beste, was sie
fanden. Schließlich kehrten sie zu Serena, Astaroth und
dem fremden Mädchen zurück. Die Kleine hatte
mittlerweile aufgehört zu weinen, kauerte aber noch
immer angstvoll an Serena geschmiegt auf dem Boden und
sah ihnen
- und vor allem Mike - mißtrauisch entgegen.
Astaroth hatte sich auf ihrem Schoß zusammengerollt und
schnurrte zufrieden, während das Mädchen ihn mit einer
Hand zwischen den Ohren kraulte. »Nun?« fragte
Trautman. Er lächelte dem Mädchen aufmunternd zu, aber
er fing auch Serenas warnenden Blick auf und wagte es
nicht, sich ihr weiter als zwei Schritte zu nähern. »Wie
geht es dir? Hast du dich beruhigt?«
Er bekam keine Antwort. Serena quittierte seinen fragenden Blick nur mit einem Schulterzucken, so daß
Trautman es nach einigen Sekunden noch einmal versuchte: »Wie ist dein Name, Kleines?« fragte er. »Ich bin
Trautman. Das da sind Singh, Ben, Chris und Juan. Und
Serena und ihren kleinen Spielgefährten da kennst du ja
schon. «
Der Spielgefährte quittierte diese unwürdige Bezeichnung mit einem strengen Blick in Trautmans Richtung,
enthielt sich aber ansonsten jedes Kommentares, und
Trautman deutete als letztes auf Mike und sagte: »Das ist
Mike. Ich hoffe, du bist ihm nicht mehr böse. Er hat nicht
gleich gesehen, wer du bist, weißt du? Und du? Wie heißt
du?«
Einen Moment lang sah es nicht so aus, als würde er eine Antwort bekommen, aber dann zog das Mädchen
lautstark die Nase hoch, wischte sich mit dem Unterarm
die Tränen vom Gesicht und sagte: »Annie. Ich heiße
Annie. Eigentlich Annegret, aber alle nennen mich Annie.
«
»Annie, so. « Trautman lächelte erneut und ließ sich in
zwei Metern Abstand zu dem Mädchen in die Hocke
sinken, damit sie nicht mehr zu ihm aufsehen mußte,
während sie miteinander sprachen.
»Wir sind Schiffbrüchige, Annie«, fuhr er fort. »Wir
sind an der Küste gestrandet und suchen seither andere
Menschen. Wir sind sehr froh, daß wir auf dich getroffen
sind, mußt du wissen. Aber du bist doch bestimmt nicht
allein hier, oder?«
Annie schwieg. Sie drückte sich enger an Serena. Ihr
Blick wanderte unsicher zwischen Trautman und Mike hin
und her.
»Bist du mit deinen Eltern hergekommen?« fragte Juan.
»Mit meinem Dad«, antwortete Annie. »Und Onkel Mark
und Tante Sue. Mom ist zu Hause geblieben. Sie haßt
Seereisen. «
»Und wo ist dein Dad jetzt?« fragte Trautman. »Fort«,
antwortete Annie in trotzigem Ton. »Die Drachen haben
ihn geholt. Und die anderen auch. « »Die Drachen?«
Trautman tauschte einen überraschten Blick mit Serena,
aber wieder antwortete die Atlanterin nur mit einem
angedeuteten Achselzucken. Offenbar hatte sie bisher
auch nicht viel mehr von dem Mädchen erfahren. »Was
meinst du mit Drachen?«
»Die Drachen eben«, erwiderte Annie stur. »Sie haben
sie geholt. Sie haben sich gewehrt und auf sie geschossen,
aber es waren zu viele. Sie haben sie alle weggeschleppt.
Aber mich haben sie nicht gekriegt. Ich habe mich auf
einem Baum versteckt. Sie können nicht gut klettern. « Sie
begann wieder stärker zu zittern. Ihre Augen füllten sich
mit Tränen. »Drachen?« murmelte Ben. »Aber das ist -«
Trautman schnitt ihm mit einer hastigen Geste das Wort
ab. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Annie«,
sagte er. »Du bist jetzt in Sicherheit. Niemand wird dir
jetzt noch etwas tun. Drachen, sagst du? Wie haben sie
ausgesehen?«
»Wie Drachen eben«, antwortete Annie. Ihre Stimme
zitterte. Sie war kurz davor, wieder in Tränen
auszubrechen, und Trautman schien das wohl zu
begreifen, denn er drang nicht weiter in sie, sondern stand
nach einigen Sekunden wieder auf und deutete in die
Richtung, in der der Baum lag, den sie sich als

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