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Im Tal der Giganten

Im Tal der Giganten

Titel: Im Tal der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nachtlager
ausgesucht hatten.
»Es wird bald dunkel, Annie«, sagte er. »Wir haben einen sicheren Platz für die Nacht entdeckt. Willst du mit
uns kommen?«
Einige Sekunden lang blickte ihn das Mädchen nur aus
großen Augen an, aber dann nickte es. Serena ließ seine
Schulter los, und Annie erhob sich unsicher auf die Füße.
Sie schwankte ein bißchen, und Mike begriff erst jetzt, daß
ihr Zittern nicht allein auf ihre Furcht zurückzuführen war.
Das Mädchen war vollkommen entkräftet. Wahrscheinlich
irrte es schon seit Tagen allein durch diesen Wald, ohne
etwas zu essen oder sich auch nur einmal wirklich
ausruhen zu können. Mike fragte sich, ob sie alle wohl in
einigen Tagen ebenso aussehen würden wie Annie.
»Kannst du gehen?« fragte Trautman. »Oder soll Singh
dich tragen? Er ist sehr stark, weißt du?« »Ich kann
gehen«, antwortete Annie stolz. »Ich kann sogar schnell
laufen. Viel schneller als die Drachen. « »Das glaube ich
dir gerne«, antwortete Trautman lächelnd. »Sonst wärst
du ja auch nicht hier, nicht wahr? Dann komm. «
Annie hielt tatsächlich mit ihnen Schritt, zumindest, bis
sie den Baum erreichten. Als es darum ging, hinaufzuklettern, versagten ihre Kräfte jedoch, so daß Singh sie
kurzerhand auf die Arme nahm und trug. Sie versteifte
sich, als sie seine Berührung spürte, und hielt vor lauter
Schrecken den Atem an, bis sie die Astgabel erreicht
hatten und der Inder sie wieder absetzte. Kaum waren sie
oben angelangt, begann es zu dämmern. Die Sonne war
über dem Blätterdach des Dschungels schon seit einer
Weile nicht mehr sichtbar gewesen, aber jetzt überzog sich
der Himmel rasch mit mattem Grau, das auch noch das
letzte bißchen Tageslicht aufzusaugen begann, und es
wurde zum ersten Mal seit Stunden ein wenig kühler.
Mike betrachtete ihr Nachtlager mit gemischten Gefühlen.
Trotz all seiner eigenen Bedenken zweifelte er im Grunde
nicht daran, daß ihnen die Höhe Schutz vor den meisten
räuberischen Bewohnern des Waldes bot, aber zugleich
stellte sie auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.
Trautman hatte den sichersten Platz direkt in der
Astgabelung für Serena und Annie reserviert, alle anderen
mußten sich eine Schlafstelle auf den Ästen suchen. Und
auch wenn sie zum Teil meterbreit waren, so waren es
doch trotzdem Äste. Eine unbewußte Bewegung im Schlaf
konnte verheerende Folgen haben.
»Sucht euch alle einen Platz«, sagte Trautman, nachdem
er sich davon überzeugt hatte, daß Serena und das
Mädchen sicher untergebracht waren. »Und versucht am
besten gleich zu schlafen. Wir brechen morgen mit dem
ersten Tageslicht wieder auf. « »Wenn wir dann noch
leben«, maulte Ben. »Singh und ich werden abwechselnd
wachen«, erwiderte Trautman. »Und es nutzt niemandem,
wenn wir uns ununterbrochen selbst davon überzeugen,
wie aussichtslos unsere Lage ist, Ben. « Er deutete auf
Annie. »Nimm dir ein Beispiel an diesem Mädchen. Sie
war in einer viel schlimmeren Situation, und sie hat nicht
aufgegeben. «
»Vielleicht sollten wir uns festbinden«, schlug Juan vor.
»Damit niemand im Schlaf vom Baum fällt. « »Eine gute
Idee«, lobte Trautman. »Ich werde ein paar Lianen
abschneiden
- und vielleicht finde ich sogar etwas zu
essen. « Er stand unverzüglich auf und balancierte mit
einer Sicherheit über den Ast davon, die Mike mit purem
Neid erfüllte. Ihm wurde schon schwindelig, wenn er auch
nur nach unten sah, aber Trautman bewegte sich so
gelassen, als befände sich unter ihm sicherer Boden, kein
fast zehn Meter tiefer Abgrund. Die Müdigkeit machte
sich nun stärker in Mike bemerkbar. Er hatte alle Mühe,
die Augen offenzuhalten, bis Trautman mit den
versprochenen Stricken - allerdings ohne etwas Eßbares zurückkam und sie sich gegenseitig dabei halfen, sich
festzubinden. Danach schlief er beinahe unverzüglich ein.
Ein Geräusch weckte Mike, und der erste bewußte Gedanke war, daß noch lange nicht Morgen sein konnte. Er
hatte das Gefühl, die Augen gerade erst geschlossen und
noch gar nicht richtig geschlafen zu haben. Als er die
Lider hob, sah er im ersten Moment nichts als
undurchdringliche Dunkelheit, in der sich erst nach
einigen Augenblicken verschwommene Schatten und
schemenhafte Umrisse abzuzeichnen begannen. Es war
mitten in der Nacht. Irgend etwas hatte ihn geweckt.
Mike hob müde den Kopf und blickte nach links. In der
Dunkelheit scheinbar endlos weit entfernt sah er
Trautman, Singh und einen weiteren, nicht zu identifizierenden Schatten

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