Im Tal der Giganten
und
Wurzeln, aber darüber konnte Mike die buckligen
Schatten der halbrunden Zelte erkennen, die die
Echsenmänner aufgestellt hatten, und den roten
Widerschein ihrer Feuer. Durch das seidige Geräusch des
fließenden Wassers drangen die Stimmen der
Geschuppten: ein unheimliches, zischelndes Wispern und
Keuchen, in dem er keine Regelmäßigkeit, keine Melodie
erkennen konnte. Die Stimmen dieser Wesen waren so wie
sie selbst: rätselhaft, erschreckend und unvorstellbar
fremd.
Es ist jetzt nicht mehr weit, sagte Astaroth. Dort vorne,
die Lücke im Gebüsch - siehst du sie? Mike hielt als erstes
nach dem Kater Ausschau, konnte ihn aber nicht
entdecken. Astaroth war ihnen nicht ins Wasser gefolgt,
sondern schlich geduckt und als unsichtbarer Schatten
durch die Büsche am Ufer. Nach einer Weile gewahrte er
aber die Bresche in der bisher schier undurchdringlichen,
lebenden Mauer, die das Lager vom Fluß trennte, und
nickte. Da ist ein kleiner Seitenarm, fuhr Astaroth fort.
Nicht sehr tief, aber breit. An seinem Ende liegen zwei
Zelte. Sie sind im rechten.
Mike blieb für einen Moment stehen, wartete, bis Singh
und Trautman zu ihm aufgeholt hatten, und teilte ihnen im
Flüsterton mit, was er von Astaroth erfahren hatte. Die
beiden nickten, und Singh übernahm kommentarlos die
Führung.
Nun befanden sie sich mitten im Lager der
Dinosauroiden. Einige der unheimlichen Geschöpfe, die in
der Nacht, die ihre Gestalten zu flachen Schatten mit
ruckhaften Bewegungen reduzierte, noch fremdartiger und
bizarrer wirkten, waren so nahe, daß Mike meinte, nur den
Arm ausstrecken zu müssen, um sie zu berühren. Er
verstand nicht, warum sie nicht längst gesehen worden
waren: selbst in der Nacht mußten sich ihre Gestalten
deutlich unter dem glasklaren Wasser abzeichnen, und
außerdem schlug sein Herz so laut, daß man es eigentlich
meilenweit hätte hören müssen. Mike wäre nicht
überrascht gewesen, wären die Echsenmänner im nächsten
Moment alle gemeinsam aufgesprungen und über sie
hergefallen, er war fast davon überzeugt, daß es
unweigerlich geschehen mußte. Statt dessen erreichten sie
unbehelligt das Ende des Flußarmes, und Trautman
deutete mit einer Geste auf das rechte der beiden
halbrunden Zelte, die sich kaum zwei Meter vom Wasser
entfernt erhoben. Gleichzeitig warf er Mike einen
fragenden Blick zu, den dieser mit einem Nicken
beantwortete. Er betete, daß Astaroth sich nicht geirrt
hatte. Wenn sie in das falsche Zelt eindrangen und sich
unversehens einem Dinosauroiden gegenübersahen,
würden sie keine zweite Chance bekommen.
Wie Indianer, die sich an einen Feind anschlichen,
robbten sie aus dem Wasser und näherten sich der
Rückseite des Zeltes. Mike lauschte einen Moment mit
angehaltenem Atem, ehe er es wagte, die Hände nach der
Zeltplane auszustrecken, um sie etwas anzuheben. Nichts.
Er hörte nicht den mindesten Laut, und drinnen war es
dunkler als hier draußen. Vermutlich schliefen die
Gefangenen ebenso wie die meisten ihrer Bewacher. Mike
schob den letzten Rest seiner Furcht beiseite, hob die
Zeltplane - sie war so schwer, daß er einen Moment lang
befürchtete, es nicht zu schaffen
- weiter an und glitt
beinahe lautlos darunter hindurch. Absolute Dunkelheit
empfing ihn. Mike robbte noch ein Stück weiter, bis er
gegen ein Hindernis stieß, dann hielt er inne und lauschte.
Er konnte hören, wie Trautman und Singh hinter ihm
hereingekrochen kamen und sich die Zeltplane mit einem
schweren Flapp wieder senkte und dann die
gleichmäßigen Atemzuge von drei oder vier Menschen.
Aber waren es tatsächlich nur drei oder vier? Und waren
es wirklich nur menschliche Atemzüge, die er hörte?
Bevor seine überreizte Phantasie endgültig die Oberhand
gewinnen konnte, berührte ihn eine Hand an der Schulter,
und Trautmans Stimme flüsterte unmittelbar neben seinem
Ohr: »Der Eingang. Geh hin und halt die Augen offen!«
Das war zwar ein durchaus umsichtiger Gedanke, aber
leider auch viel leichter gesagt als getan. Mike hatte
mittlerweile vollends die Orientierung verloren. Er
gehorchte Trautman und kroch auf gut Glück los
- mit
dem Ergebnis, daß er irgendwo anstieß und Lärm verursachte.
Und die Reaktion blieb nicht aus. Die bisher
gleichmäßigen Atemzüge eines der Schläfer veränderten
sich plötzlich. Ein Räuspern und Schnauben erklang, und
dann konnte Mike hören, wie sich jemand umständlich
aufsetzte. »Was ist denn los?« murmelte eine verschlafene
und leicht verärgert klingende Stimme. »Matthew,
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