Im Tal der Mangobäume
einzugehen. Fortan konnte man alles wieder aus dem Blickwinkel der geliebten Eltern betrachten, Pace und Dolour. Und nicht aus dem des Mannes, der bei Pace war, als er von Wilden ermordet wurde.
Laura MacNamara entfernte sich unauffällig von den Trauernden und marschierte so schnell sie konnte die Straße entlang. Aber anstatt an der nächsten Ecke zum
Victoria Hotel
einzubiegen, in dem sich die meisten der angereisten Trauergäste einquartiert hatten, lief sie bis zur William Street weiter.
Ihr fürsorglicher Gatte hatte erklärt, es sei eigentlich nicht notwendig, dass sie mit auf den Friedhof komme, da sie Dolour ohnehin kaum gekannt habe und ihr die meisten Trauergäste fremd seien. »Und du brauchst mich auch sicher nicht an deiner Seite?«, hatte sie gefragt.
»Schatz, nein. Ich bin im Moment wie betäubt. Ich möchte dir den Rest ersparen.« Dolour selbst hatte Beerdigungen nicht ausstehen können. Sie hatte sie »öffentliches Händedrücken« genannt. Der Gedenkgottesdienst für seinen Vater war wunderschön gewesen. Es gab nur fünf Trauernde: seine drei Söhne, John Pace’ Frau Eileen und Dolour. »Du ruhst dich aus, und wir treffen uns dann später im Haus von Rivadavia. Oder möchtest du, dass ich vorbeikomme und dich abhole?«
Sie lächelte. »Nein. Ich komme zurecht. Keine Bange.«
Laura stammte aus Rockhampton, das mehr als hundert Meilen nördlich von Brisbane lag. Ihr Vater, ein Parlamentsmitglied, war vor einiger Zeit gestorben, nur ein paar Jahre nachdem das offizielle Parlamentsgebäude errichtet worden war. Nun wollte sie sich dieses hochgepriesene Bauwerk ansehen, da sich die Möglichkeit dazu bislang noch nicht ergeben hatte.
Als sie die ruhige, von Bäumen gesäumte Straße entlangeilte, kam ihr ein Polizeiinspektor entgegen. Sie erkannte Marcus Beresford sofort und versuchte so zu tun, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Zu spät.
»Ja, sieh an, ist das nicht Miss Maskey?«, begrüßte er sie. »Wie nett, Sie wiederzusehen. Was führt Sie in unsere Stadt?«
Widerstrebend nahm sie Notiz von ihm, ließ ihn ansonsten aber im Unklaren. Inspektor Beresford hatte die Befehlsgewalt über die berüchtigte Einheimischenpolizei Queenslands. Ihr Vater hatte ihn gemocht. Ihr Mann hasste ihn. Aus gutem Grund.
»Ich möchte mir das Parlament ansehen«, sagte sie. »Das kenne ich noch nicht.«
»Ein fantastisches Gebäude! Und vortrefflich eingerichtet. Ich würde mich glücklich schätzen, Sie dort herumführen zu dürfen.«
»Vielen Dank. So viel Zeit habe ich nicht.«
Die gusseisernen Tore befanden sich direkt vor ihr, und dahinter erhoben sich die schönen, fast rosafarbenen Sandsteinmauern des Stolzes und der Freude der Kolonie.
»Sind Sie sicher?«
»Verzeihen Sie«, sagte sie und ging auf die Tore zu, »aber ich muss nun wirklich gehen.«
Er ließ nicht locker und passte sich ihrem Schritt an. »Vielleicht könnte ich Sie einmal nachmittags zu einem Tee ausführen.«
»Nein danke!«
Er öffnete das hohe Tor, und Laura ging rasch hinein und schlug es dann vor seiner Nase zu, so dass er keine Chance hatte, ihr zu folgen.
Ein paar Minuten lang versteckte sie sich in der Eingangshalle, trug sich in das Gästebuch ein und blickte sich um, bis sie sicher sein konnte, dass Beresford sich entfernt hatte. Dann marschierte sie wieder hinaus. Eine Führung durch das Parlament hatte sie nicht im Sinn gehabt; sie hatte es sich samt seiner Umgebung einfach nur einmal ansehen wollen.
Ihr Weg führte sie um das Gebäude herum zur Flussseite, so dass sie sich auch von der Umgebung ein Bild machen konnte. Es lag äußerst malerisch direkt an einer Flussbiegung. Aber Beresford hatte ihr die Laune verdorben. Zu dumm, dass er ihr begegnet war und sie an die Tragödien erinnert hatte, mit denen Paul zu kämpfen hatte.
Laura war Pauls zweite Frau und in Gegenwart seiner Familie noch immer nervös. Seine erste Frau Jeannie und ihr Dienstmädchen waren auf der Oberon-Station von Mitgliedern der Berittenen Einheimischenpolizei aus Beresfords Kompanie umgebracht worden.
Die meisten – darunter Lauras Vater – gaben Beresford nicht die Schuld, und konnten es auch nicht, nahm sie an. Paul hingegen schon. Er behauptete, die Männer der Einheimischenpolizei seien von Haus aus Überläufer, dazu ausgebildet, die eigenen Leute zu töten, im Grunde nur zum Töten ausgebildet, allerdings zugunsten der weißen Siedler. Er machte ihren Vorgesetzten für eine große Anzahl ihrer ruchlosen Taten
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