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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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schleuderte sie über den Hof.
    Dann stürmte er in die Küche, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Da erst merkte er, dass der Tisch bereits abgeräumt worden war.
    Seine Mutter hängte gerade Geschirrhandtücher auf eine Leine über dem Herd.
    »Wir haben schon gegessen«, bemerkte sie. »Dein Vater sagt, du bist zu spät.«
    »Bin ich nicht. Ich arbeite so schwer wie er. Ich bekomme jetzt mein Abendessen!«
    Sie wandte sich um, stand in ihrem schwarzen Kleid und einer schwarzen Schürze am Herd, das strähnige Haar streng aus ihrem kantigen Gesicht gekämmt, die dünnen Lippen geschürzt, die Hände fest vor sich gefaltet, als wolle sie demonstrieren, dass die Speisekammer geschlossen sei.
    »Sei’s drum«, sagte sie, »zur Schule gehst du jedenfalls nicht mehr. Dein Vater sagt, du bist dort lange genug gewesen.«
    »Ich muss bleiben, bis ich vierzehn bin. Das ist Gesetz!«
    »Für Farmer gilt dieses Gesetz nicht.«
    »Das werden wir ja sehen. Erst einmal will ich mein Abendessen.«
    »Ich habe dir doch gesagt …«, begann sie.
    »Schlägt er dich eigentlich auch manchmal?«, fragte er beiläufig.
    »Was für eine Frage! Warum sollte er?«
    »Warum muss ich es mir dann von ihm gefallen lassen?«
    »Weil er auf diese Art aufgezogen wurde. Du musst lernen, dich zu benehmen.«
    Harry erhob sich und baute sich vor ihr auf. »Das muss ich. Er hat mich auch so aufgezogen, und wenn du nicht tust, was ich dir sage, dann tue ich, was man mir beigebracht hat. Ich prügel dich windelweich. Und jetzt geh mir aus dem Weg!«
    Sie kreischte, wich ängstlich zurück, rannte zur Küche hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Grinsend nahm Harry sich einen Teller, lud sich eine große Portion warmen Kanincheneintopf auf und setzte sich an den Tisch. Draußen war Gemurmel zu hören. Er wusste, dass seine Schultage leider gezählt waren, die Schläge aber fortgesetzt würden. Außer er schlüge zurück. Aber wie sähe dann sein Leben aus?
    Nach eingehender Betrachtung seiner Situation kam er zu dem Schluss, dass es sinnlos war, länger zu warten.
    Als er das nächste Mal wegen der Bankgeschäfte in der Stadt war, wandte er sich an Mr.Buschell und fragte ihn, ob er ein Darlehen aufnehmen könne.
    »Ein Darlehen?«, strahlte Mr.Buschell. »Wie alt bist du, Junge?«
    »Vierzehn.« Harry machte sich ein Jahr älter.
    »Du meine Güte, du wirst langsam groß, nicht? Aber ich fürchte, für ein Darlehen bist du noch zu jung. Die Bank hat da so ihre Bestimmungen. Wie viel brauchst du denn?«
    »Fünf Pfund.« Eigentlich hatte Harry um zwanzig bitten wollen, aber dann sank ihm der Mut. Wenn man fünf Pfund hatte, konnte man kein Landstreicher sein.
    »Das ist viel Geld für einen Jungen. Wozu brauchst du es denn?«
    Genau die Frage, die, so hatte er gehofft, nicht gestellt werden würde. Harry blieb stumm. Er wollte etwas sagen, besann sich um und saß auf der Stuhlkante, um jeden Moment das Weite zu suchen.
    »Bestimmt hättest du damit nichts Unrechtmäßiges vor, oder?«, erkundigte sich der Bankdirektor aufmunternd.
    »Nein, nichts dergleichen.« Plötzlich hatte Harry eine Idee. Er brauchte Kleidung. Zum ersten Mal sah er sich mit den Augen der adrett gekleideten Bankangestellten. Ein Bauernbub mit geflickten Hosen und einem verschossenen Hemd, der nicht einmal ein eigenes Paar Stiefel besaß. Nur wenige der Jungen, die er kannte, hatten welche, aber das tat nichts zur Sache.
    »Was zum Anziehen«, sagte er schließlich. »Ich brauche etwas zum Anziehen!«
    »Kauft dir deine Mutter denn nichts?« Die Frage bestätigte Harry, dass Mr.Buschell sah, dass er Kleidungsstücke brauchte, und das brachte ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht.
    Nunmehr verlegen, klammerte er sich an eine Ausrede, die zu einem Grund geworden war.
    »Nein, tut sie nicht«, versetzte er. »Tun sie nicht!«
    Buschell nickte freundlich, und Harry gab seine Zurückhaltung auf. Er ertappte sich beim Betteln.
    »Sir, ich brauche fünf Pfund. Ich muss mir etwas zum Anziehen kaufen, damit ich an eine Arbeit komme. Ich muss jetzt fort und mir Arbeit suchen. Bitte! Ich schreibe Ihnen einen Schuldschein, und ich zahle alles zurück, Ehrenwort! Ich verspreche es Ihnen, Mr.Buschell. Hand aufs Herz!«
    Mr.Buschell lachte. »Na, wenn das so ist, Harry. Hier …«
    Er zog einen Füllfederhalter hervor und schrieb einen Schuldschein, auf dem zu lesen stand, dass Harry Merriman H. Buschell die Summe von fünf Pfund schulde. Dann fügte er das Datum hinzu und schob

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