Im Tal der Mangobäume
ihm das Papier über den Schreibtisch zu.
»Lies dir das durch, Harry und unterschreib dann, bitte. Du wirst sehen, dass ich dir fünf Pfund leihe. Das Darlehen gebe ich dir, nicht die Bank, und natürlich erwarte ich, dass du es mir zurückzahlst.«
Harry traute seinen Augen nicht, als Mr.Buschell fünf Pfund abzählte. Er erinnerte sich an die Preisschilder in den Wühlkisten mit Arbeitshemden und Hosen im hiesigen Laden und begriff, dass er sich für fünf Pfund eine Menge davon kaufen konnte. Mr.Buschell war das wohl ebenfalls klar, aber das schien keine Rolle zu spielen.
»Sieht nicht so aus, als würden diese Hosentaschen sie lange behalten«, bemerkte er, während Harry sorgfältig unterschrieb.
Harry nickte. »Ja. Die sind schon ziemlich abgetragen.«
»Dann brauchst du noch das hier.« Mr.Buschell nahm das Geld und ließ es in einen kleinen Beutel mit einer Zugschnur fallen. »So, bitte schön.« Er reichte ihn ihm hinüber. »Deine erste Geschäftstransaktion. Hand darauf!«
Als er beobachtete, wie der hochgewachsene Junge still aus der Bank marschierte, murmelte Buschell: »Ich frage mich, wohin du gehst, Harry? Auf jeden Fall aber alles Gute.«
* * *
Er brauchte auch ein Pferd, aber da hatte Harry bereits einen Entschluss gefasst. Dodds war sein Pferd. Schließlich ritt er die ganze Zeit darauf. Und sein Vater brauchte keine zwei Tiere. Also behielt Harry es. Weshalb er auch nicht mehr heimzukehren brauchte. Weitere Habseligkeiten besaß er nicht.
Aber das Sparbuch hatte er noch bei sich. Er sollte es zurück zur Bank bringen, konnte aber nicht riskieren, dass Mr.Buschell sich eines anderen besann. Daher marschierte er in den Laden, lieh sich einen Bleistift aus und schrieb auf ein Stück Papier:
Lebt wohl!
Mehr verdienten sie nicht. Dann nahm er eine von den braunen Papiertüten, die an einer Schnur an der Theke hingen, steckte das Sparbuch mitsamt der Nachricht hinein und reichte sie Myrtle, dem Ladenmädchen.
»Gibst du das bitte meiner Mutter, wenn sie herkommt?«
»Ja. Mache ich.«
Dann war er fort. Unterwegs. Hatte vor, sich in Brisbane, wo er nicht erkannt werden würde, neue Kleidung zu beschaffen. Als er zu Dodds rannte, hätte er vor Glück am liebsten Luftsprünge gemacht. Aber da kamen Mrs.Otway und Tottie auf ihn zumarschiert!
»Du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd«, rief Tottie, der nichts verborgen blieb. »Du hast doch etwas vor?«
»Ähm …« Er wollte ihr nichts sagen, konnte sie aber auch nicht belügen. »Ich gehe fort«, gestand er mit gesenkter Stimme.
»Was?«, rief Tottie. »Wohin denn? Du kannst doch nicht einfach weggehen!«
An Totties Ausbrüche war Harry gewöhnt, aber nun konnte er wirklich keinen gebrauchen. »O doch, kann ich. Ich muss.«
»Und wohin?«, wollte sie wissen. »Sag mir, wohin du gehst!«
Ihre Mutter seufzte. Entnervt. Sie versuchte, die Situation zu entschärfen. »Harry, wir werden dich vermissen. Aber ihr Jungs werdet so langsam groß … ich wünsche dir alles Gute, mein Lieber.«
»Redest du ihm etwa zu?«, schrie Tottie. »Er ist überhaupt noch nicht groß! Er reißt aus!«
Er vergaß Mrs.Otways Anwesenheit.
»Halt den Mund, Tottie!«, zischte er. »Und schau … ich komme doch wieder. Ich falle ja nicht über den Rand der Welt!«
»Nimm mich mit!«, rief sie plötzlich. »Im Ernst. Ich suche mir auch eine Arbeit!«
»Tottie!« Jetzt reichte es ihrer Mutter. »Himmel noch mal!«
Totties Ausbruch verblüffte Harry. Leute starrten zu ihnen hinüber. Er wich zurück und schwang sich auf sein Pferd, verwirrt darüber, dass Tottie weinte.
»Bitte, Harry, geh nicht fort!«, schluchzte sie.
»Ich schreibe dir, wenn du magst«, bot er an.
Totties Mutter legte tröstend einen Arm um sie und nickte Harry gleichzeitig zu. Der verstand den Wink, wandte sein Pferd in Richtung der Kreuzung, und schon bald galoppierte Dodds die sandige Straße entlang, die sie schließlich nach Brisbane Town führen würde.
* * *
Da ihre Reise zu Ende war, wies Slim Collinson, der oberste Viehtreiber, seine Männer an, ein Lager aufzuschlagen. Sie hatten noch einiges zu erledigen, ehe sie die lange Heimreise antreten konnten. Nicht dass er ein Heim mit vier Wänden, einem Dach und einem Abort dahinter gehabt hätte. Er und seine Frau Lena und ihr achtzehnjähriger Sohn Colly führten ein Nomadenleben. Sie gingen dahin, wohin der Viehtrieb sie führte, fuhren mit ihrem Küchenwagen, ihren Ersatzpferden und ihren Männern kreuz und quer durchs
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