Im Tal der Mangobäume
drei.
Hester war eine willige Arbeiterin. Gillies Anerkennung war alles, was sie im Leben brauchte, und dafür rackerte sie unermüdlich. Sie war eine gute Köchin und sah zu, dass er – egal zu welcher Uhrzeit – immer gut zu essen bekam. Sie molk die Kühe, schöpfte den Rahm ab und stellte Käse her, den sie, um jeden Penny feilschend, dem Ladenbesitzer verkaufte. Solange ihr Mann draußen auf dem Feld arbeitete, war Hester bei ihm und rodete sogar Land für den Pflug, denn im Axtschwingen stand sie den meisten Männern in nichts nach. Um ihren Gemüsegarten beneidete sie die ganze Nachbarschaft, aber zu sehen bekamen sie nie auch nur eine Karotte, folglich rächten sie sich, indem sie Blumengärten anlegten.
Die Blumenbeete der Ballinger’s Road mit ihren Rosen, Nelken, Löwenmäulchen und Bartnelken wurden zum Blickfang, und die Kutschen drosselten im Vorbeifahren ihre Geschwindigkeit. Gillie ärgerte das mehr und mehr, weshalb er, um ihnen den Spaß zu verderben, die hässliche Teebaumhecke anpflanzte und kümmerlich in die Höhe schießen ließ.
Und die ganze Zeit über war da der Sohn, Harry, der von Kindesbeinen an an ihrer Seite arbeitete.
»Und zudem hart gearbeitet hat«, berichteten die Nachbarn. Als das Kind wuchs, erzählten die Nachbarn auch, sie hätten mitbekommen, wie Gillie ihn fürchterlich verprügelt habe.
Der Schulleiter in der DeLisle’s Crossing
State School Nummer
438
, der Harry Merrimans ständiges Fehlen satt hatte, zitierte ihn nach vorn und züchtigte ihn mit dem Riemen. Da platzte seiner Freundin und Nachbarin Tottie Otway der Kragen, und sie sprang auf.
»Sein furchtbarer alter Vater lässt ihn nicht gehen!«, verteidigte sie ihn mutig. »Er behält ihn daheim und lässt ihn arbeiten. Und er schlägt ihn auch!«
Diesen Tag vergaß Harry nie. Diese Schande.
»Wie konntest du nur?«, brüllte er, als sie nach Hause stapften. »Ich habe dich nicht darum gebeten.«
»Weil es stimmt. Es ist nicht fair, dass du geschlagen wirst.«
»Mir doch egal. Lass mich einfach in Ruhe, ja? Und kümmer dich um deinen eigenen Kram.«
Sie trottete hinter ihm her. Rief ihm zu, es tue ihr leid. Tottie mit dem kupferroten Haar, der blassen Haut und dem strahlenden Lächeln. Er reagierte nicht.
Aber Harry wuchs heran. Wurde selbstbewusster. Trotz der familiären Umstände hielt er sich in der Schule gut, wie sein inzwischen verständnisvoller Lehrer ihm unter vier Augen erklärte. Und er war beliebt bei den anderen Kindern, wenn auch hauptsächlich deshalb, weil er der Rädelsführer der Dorfrabauken war.
Und so verging die Zeit in DeLisle’s Crossing, fünfzig Meilen von der Stadt Brisbane entfernt, das für diese Dorfbewohner genauso gut London hätte sein können und in das die meisten von ihnen noch nie einen Fuß gesetzt hatten.
Nichts Nennenswertes geschah in dem Distrikt, bis eines Tages, nachdem der alte DeLisle das Zeitliche gesegnet hatte, die Fähre sank. Man betrachtete das als schlimmes Zeichen, als Omen für schlechte Zeiten, die da anbrechen würden. Um das Böse abzuwehren, streuten die Leute Salz auf ihre Veranden und nagelten Hufeisen über Scheunentore. Und ein wahrsagender Zigeuner draußen bei der Kreuzung verdiente auf einmal sehr viel Geld.
Dann behauptete eine alte Jungfer namens Margery Field, sie hätte am Flussufer unter der Eiche, die er vor so langer Zeit gepflanzt hatte, den Geist des alten DeLisle gesehen. Auch andere behaupteten, ihn gesehen zu haben, und das versetzte alle in helle Aufregung.
Reverend Robert Trenmell, der die Nase voll hatte von dem Theater, warnte in seiner Sonntagspredigt davor, dass in den Gemeinden der Aberglaube Einzug halte, und gebot, mit diesen Dummheiten aufzuhören.
Miss Field war zutiefst verletzt. Sie erhob sich in der Kirche und sagte das auch.
»Reverend! Ich lasse mich nicht als dumm bezeichnen! Ich habe Mr.DeLisle in aller Deutlichkeit gesehen!« Sie wandte sich an die Kirchengemeinde. »Viele von euch haben ihn gesehen, nicht wahr?«
Angesichts des strengen Blickes ihres Pfarrers unterstützte sie keiner, und ein paar Minuten herrschte unbehagliche Stille, bis jemand rief: »Ja, ich habe ihn gesehen!«
Harry Merriman hatte sich erhoben.
Tottie, die auf der anderen Gangseite saß, erstickte fast vor Lachen, aber Reverend Trenmell durchschaute ihn.
»Setzen Sie sich, Mr.Merriman«, meinte er müde. »Wir wenden uns nun Vers …«
Doch da war Tottie aufgesprungen. »Ich habe es auch gesehen, nicht, Harry? Wir beide
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