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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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folgte. Im Laufen rief sie: »Ku-i, ku-i«, ein peitschengleicher Ruf, der noch tief im Busch zu hören war und die Würgerkrähe nachmachte. Oder vielleicht machte die Krähe ihn auch zuerst.
    Womöglich hätte Harry sie hören können. Aber er nahm nichts wahr. Benommen stolperte er mit Lena dahin. Hätten sie es gewollt, so hätten die beiden Pferde das Weite suchen können, denn er hatte ihre Zügel losgelassen, sie vergessen. Aber da sie die Gefahr spürten, trotteten sie hintereinander hinter ihm her.
    Doch dann hörten sie Jacky und Lenas Pferd war es, das mit einem traurigen Wehklagen antwortete und Jacky durch den Busch zu ihnen stürmen ließ.
    »Harry!«, rief sie. »Was ist passiert? Was ist mit Lena los? O Gott, sie tot, Harry? Sie tot? Was ist passiert? Von Schlange gebissen?«
    Er schüttelte den Kopf und legte Lena unter einem dürren Baum ins Gras.
    »Du passt auf sie auf. Ich hole Hilfe«, erklärte er Jacky, erinnerte sich dann jedoch an die Angreifer. Vielleicht waren sie noch in der Nähe und beobachteten sie. Er konnte die Kleine hier unmöglich allein zurücklassen.
    »Nimm Lenas Pferd«, sagte er. »Beeil dich. Hol den Boss!«
     
    Als er von Lenas Tod erfuhr, war Slim am Boden zerstört. Und als man ihren Leichnam hergebracht hatte, machte er sich mit einer Schar Reiter in ohnmächtigem Zorn auf die Jagd nach den Wilden.
    Verzweifelt suchten sie die Gegend ab, in der der Angriff stattgefunden hatte, stürmten in das Vorgebirge, das zu dem hohen Bergkamm mit seinen zerklüfteten Flanken führte, die für behende Kletterer den perfekten Fluchtweg abgegeben haben mochten.
    Bei Einbruch der Nacht kehrten alle Reiter ins Lager zurück und lungerten nervös am Küchenwagen herum, während Jacky Bohnen- und Rindfleischeintopf mit altbackenem Brot ausgab. Wie üblich machten sich zwei Männer auf, um über Nacht die Rinderherde zu bewachen und sie ruhig zu halten. Jedoch wurden nun für den Fall, dass sich in der Nähe weitere feindselige Aborigines aufhielten, auch noch zwei zusätzliche Männer zur Bewachung des Lagers gesucht. Harry meldete sich freiwillig, doch Tom Dunne, einer der Viehtreiber, lehnte sein Angebot ab.
    »Du als Wache! Du konntest ja nicht mal auf Lena aufpassen!«
    »Ah, hör auf damit, Tom«, ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit.
    Harry war dankbar, dass jemand für ihn Partei ergriff, aber ein großer Trost war es nicht. Gewiss gaben viele ihm die Schuld an dem Unglück, und warum auch nicht?
    Slim blieb in dem Schuppen, in dem der in Decken eingehüllte Leichnam seiner Frau lag, und seine Söhne und zwei seiner alten Kumpel leisteten ihm Gesellschaft. Sie packten eine Flasche Rum aus und redeten die ganze Nacht. Bei Sonnenaufgang machten sie sich an die Vorbereitungen für die Beerdigung.
    Von Schuldgefühlen geplagt, versuchte Harry Slim zu sagen, wie leid ihm alles tue, doch der Viehtreiber legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Was geschehen ist, ist geschehen, Freund. Dank einfach deinen Sternen, Harry, dass dich nicht dasselbe Schicksal ereilt hat.«
    Während des traurigen kleinen Gottesdienstes an Lenas Grab im Schatten eines hübschen Coolibahbaumes schwirrte wie zum Salut ein riesiger Schwarm rosa und grauer Kakadus über sie hinweg. Als Slims Sohn Colly von der besten Mama sprach, die man haben könne, weinte Slim und dankte Harry zu dessen Überraschung, dass er bei ihr geblieben war.
    »Wäre sie schutzlos dagelegen, hätten sich Dingos an sie ranmachen können«, erklärte er. »Oder diese schwarzen Bastarde selbst.«
    Harry wollte sagen, dass ihm dergleichen gar nicht in den Sinn gekommen war. Was Lena zugestoßen war, hatte ihn so mitgenommen, dass er geblieben war, um ihr Gesellschaft zu leisten; er hatte sie an dieser einsamen Stelle nicht zurücklassen wollen. Doch er behielt diese Gedanken für sich, weil sie ihm nun töricht schienen.
    Danach versuchte Slim herauszufinden, was zu dem Angriff geführt hatte. Er hörte sich Harrys Beschreibung der drei Männer an und sagte: »Bei Gott, das klingt nach Kriegsbemalung! Aber wieso? Den ganzen weiten Weg über hatten wir keinerlei Probleme. Ein ganzer Haufen von ihnen hat uns gesehen, darauf wette ich, aber sie haben uns vorbeiziehen lassen. Wieso jetzt? Und warum nur drei von diesen Scheißkerlen? Und wo steckt Palliser mit seinen Leuten? Das würde mich doch wirklich mal interessieren. Er ist seit zwei Wochen überfällig. Ich gebe ihm noch zwei Tage, weil ich Lena noch nicht verlassen möchte, aber dann

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