Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Torrija Ihrer Tochter antut, was Sie der meinen angetan haben. Und dass dann Sie so völlig würdelos vor ihm kauern und betteln wie jetzt ich.«
»Sie kauern nicht«, rang Benito sich mit letzter Kraft ab, gab seinem Inneren einen Stoß und ging in die Knie. »Sie betteln nicht, und Sie sind kein bisschen würdelos. Meine Tochter will mit mir nichts mehr zu tun haben. Sie hat gesagt, sie schämt sich, die Tochter eines Mannes ohne Ehre zu sein. Ihre Tochter hat keinen Grund, sich für ihren Vater zu schämen. Sie liebt Sie und ist stolz auf Sie.«
Die Geste war fehl am Platz. Es war die Ergebenheitsgeste eines Mannes, der einen Gleichgestellten um die Hand seiner Tochter bittet, aber sie war alles, was er dem Conde geben konnte. In der Stille hörte er ihn heftig atmen. Irgendwann warf er die Pistole weg.
»Sie haben gesagt, wenn ich es kann, soll ich Sie um Verzeihung bitten«, sagte Benito. »Sie können mir unmöglich verzeihen. Aber ich bitte Sie trotzdem.«
Lange weinte der Conde schweigend. Benito schwieg auch, starrte blicklos den Boden an und wünschte, er hätte auch weinen dürfen. Als das Blut von neuem begann aus seiner aufgeplatzten Lippe zu sickern, wischte er es sich nicht noch einmal ab, sondern ließ es laufen.
Irgendwann sagte der Conde: »Ich wünschte, Sie hätten das nicht getan, Don Benito.«
»Ich auch, Don Teofilo.«
»Diese Stadt hat Sie verehrt. Ungeachtet Ihrer Hautfarbe und Ihrer Abkunft waren Sie für sie ein Held. Jetzt wird sie Sie ächten.«
»Ja«, sagte Benito, der geglaubt hatte, auf dieser Flanke gegen Schmerzen abgestumpft zu sein, und sich geirrt hatte. »Ich fürchte, der Rolle des Helden bin ich nie gerecht geworden. Als Geächteter habe ich wenigstens Übung.«
»Kann ich Dolores sehen?«
»Ich werde sie fragen. Ich bin sicher, sie wird sich freuen.«
25
A us der Calle Tacuba, dem Haus neben Martinas Palais, zog Josefa aus, weil all die Leute, die immerfort an die Türen hämmerten, ihr und vor allem Jaime lästig fielen. Martina, Felix, Tomás, Felice, Onkel Stefan und wieder und wieder ihr Vater. Jaime mietete eine Wohnung in einer Seitenstraße des Paseo de la Reforma, näher an Chapultepec als an dem brodelnden Kessel um den Zócalo. Die Wohnung lag unter dem Dach und war so lichtdurchflutet, dass eine Dienerin schwarze Samtvorhänge für alle Fenster besorgen musste, ehe Jaime sie ertrug. Josefa selbst tat ihr Bestes, um ihm die Wohnung, den Hort ihrer Liebe, behaglich zu gestalten. Sie stellte duftende Wachskerzen in schwere bronzene Leuchter, damit die Gasbeleuchtung ausbleiben konnte, und bestürmte ihn, das Fortepiano seines Großvaters herzuholen. Als er es nicht tat, hob sie Geld von ihrem Konto ab und kaufte ihm ein neues.
Sie wollte das Beste, Schönste, Teuerste, denn nichts anderes war in ihren Augen gut genug für ihn. Tagelang ließ sie sich beraten, und kaufte endlich ein Tafelklavier von Henry Steinway, von dem der Händler ihr versicherte, es sei das Einzige in ganz Mexiko. Das Instrument war grazil und wohlgeformt wie eine Ballerina und hatte einen Klang, der Josefa an La Traviata erinnerte, an die überwältigende Süße von Liebe und Tod. Dass der Preis doppelt so hoch wie die abgehobene Summe war, befriedigte sie. Jaime gab ihr alles. Wenn sie ihm einen Bruchteil geben konnte, war es pure Seligkeit für sie.
Jaime sah das Instrument kaum an und legte nie die Hände darauf.
»Gefällt es dir nicht?«
»Es ist ein Steinway, oder?«, erwiderte Jaime. »Ich müsste ein Banause sein, damit mir ein Steinway nicht gefällt.«
»Aber du spielst nie darauf.«
Er wandte sich ihr zu und sah sie unter halb geschlossenen Lidern an. »Und was bringt dich auf die Idee, ich könnte auf einem Fortepiano spielen wollen?«
»Du hast es doch übers Meer gebracht«, rief Josefa. »Das Fortepiano von deinem Großvater, du hast es mit aufs Schiff genommen, um dich nicht davon zu trennen.«
»Um es keinem Banausen zu lassen«, erwiderte er, und seine Stimme wie sein Gesicht wurden kalt.
»Was für einem Banausen?«, fragte Josefa hilflos.
Jaime lächelte tückisch. »Meinem Vetter. Dem ist ohnehin die ganze Pracht in seinen fetten Schoß gefallen. Aber dass er dem albernen Klimperkasten nachgreinte, hat mir Vergnügen gemacht.«
Dass er ihr sündhaft teures Geschenk mit Missachtung strafte, mochte sie verletzen, aber das andere schnitt ihr ins Herz – der Ausdruck auf seinen Zügen, der Hass in seinen Augen, der eine Maske war, um den Schmerz zu
Weitere Kostenlose Bücher