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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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schloss die Arme um sie.
    Anavera wollte mit ihm tanzen. Sich ganz der Musik hingeben, der vertrauten Zärtlichkeit und dem Weingeschmack seiner Lippen.
    »Ich will noch mehr, Armadillo«, murmelte er an ihrem Ohr, während er sie langsam in Richtung der Stufe dirigierte.
    »Was?«
    »Ich will, dass du mir sagst, ob du mich liebst.«
    Ihr Herz vollführte einen Sprung. »Und wie!«, entfuhr es ihr, weil ihre Liebe im Schwall über sie herfiel. Sie hatte ihn ja immer geliebt, er war ihr so nah wie ihr Bruder Vicente, der mit einem Mädchen namens Chantico tanzte, aber er war nicht ihr Bruder, sondern jemand, nach dem sie sich in Nächten, die zu warm zum Schlafen waren, sehnen konnte. Er gehörte zu ihr. So wie ihr Vater, ihre Mutter, ihr Bruder und ihre Schwester, so wie die Freundinnen und Großmutter Ana, deren Tod im Winter ein Loch in ihr Leben gerissen hatte.
    »Sag es mir, Armadillo. Sag: Tomás, ich liebe dich.«
    »O ja!«, rief sie und warf die Arme um ihn. »Tomás, ich liebe dich so sehr!«
    Er küsste sie noch einmal. Diesmal öffneten seine Lippen die ihren, und seine Zunge umspielte ihre Zähne und ihren Gaumen, was ein wenig kitzelte und hinreißend war. Als er sie freigab, trafen sich ihre Blicke. In seinem las sie, dass sie mit ihm glücklich sein würde, dass er sich nichts so sehr wünschte, wie gut zu ihr zu sein. Er nahm ihre Hände, küsste sie und ließ sie nicht los, während er in die Knie ging. »Wenn ich wieder in die Hauptstadt komme, will ich deinen Vater fragen, ob ich dich heiraten darf, Anavera Armadillo Alvarez.«
    Ihr Herz klopfte, vom Festplatz drang helles Lachen herüber, und die Musik hüllte alles ein. Anavera schloss die Augen, um den Moment, der ganz ihr gehörte, auszukosten. Sie war ein vom Glück begünstigtes Mädchen und hatte eine Zukunft voller Glück vor sich. Sie und Tomás würden an zwei Orten zu Hause sein, in dem herrlich lauten, vor Leben platzenden Stadtpalais seiner Eltern und auf El Manzanal, das er so liebte wie sie. Sie würden beide tun, was ihnen das Liebste war, er würde mit dem vom Vater ererbten Talent seine monumentalen Bilder malen, und sie würde junge Pferde ausbilden, sie würden Feste wie dieses feiern und Kinder haben, die so behütet aufwuchsen wie sie. Die Spur von Trauer war verflogen. Sie schlug die Augen auf, befreite ihre Hände und streichelte sein Haar.
    »Muss ich armer Mann noch lange auf meine Antwort warten?«
    »Nein«, rief Anavera. »Ich meine, ja. Ja, Tomás, ich will dich heiraten, und mein Vater wird vor Freude außer sich sein.«
    »Und was ist mit deiner Mutter?«
    Tomás sprang auf, und Anavera fuhr herum. Am Fuß der Stufe stand ihre Mutter. Ihre Stirn, die eben noch gefurcht gewesen war, glättete sich, und auf ihr Gesicht trat jenes Strahlen, das Menschen in Scharen für sie einnahm. »Tante Kathi«, stammelte Tomás.
    »Und wenn ich deine Schwiegermutter bin? Bestehst du dann immer noch darauf, mich Tante zu nennen?« Resolut drängte ihre Mutter sich zwischen sie, umarmte erst Tomás und dann Anavera. »Ich freue mich wie verrückt für euch beide. Vorhin ist ein Stern vom Himmel gefallen, und jetzt weiß ich, was ich mir gewünscht habe.« So fest, wie die Mutter sie an sich drückte, spürte Anavera, dass sie die Freudennachricht gebraucht hatte. In ihrer Kindheit war sie manchmal zu ihr gekommen, nachdem sie sich mit Josefa gestritten hatte. Instinktiv hatte Anavera dann die Arme um sie geschlungen und gesagt: »Sei nicht traurig, Mamita.« Und die Mutter hatte mit gepresster Stimme geantwortet: »Ich bin nicht traurig. Ich habe ja dich.« Und genauso fühlte es sich jetzt an. Ehe das Fest begann, hatte sie noch einmal versucht mit Josefa zu reden, doch die hatte durch die Tür geschrien, sie wolle niemanden sehen. Die Mutter musste nicht nur traurig, sondern tief verletzt sein. Sie hielt sich an Anavera fest, als wollte sie sagen: Ich will nicht traurig sein. Ich habe ja dich.
    Als sie sich löste, schimmerte die Haut unter ihren Augen nass. »Es wird mir immer unheimlich bleiben, wie ähnlich du deinem Vater siehst«, sagte sie zu Anavera. »Seid froh, dass er nicht da ist. Er würde euch beide erdrücken.«
    »Du hast dich als Ersatz nicht schlecht geschlagen«, bemerkte Anavera und rieb sich die Arme.
    Das Lachen der Mutter klang gequält. »Ihr Lieben, wollen wir es nicht den Gästen sagen? Sie sind gekommen, um etwas zu feiern, und wissen jetzt nicht, wohin mit ihren Segenswünschen. Wir haben hinter dem Haus

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